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Aus: SOZIALE HYGIENE
Kinderkrankheiten haben einen Sinn!
Unzeitgemäße Abhärtung • Das Rachitisproblem
WILHELM ZUR LINDEN
WALTHER BÜHLER
OTTO WOLFF
Die Masern
Eltern, die mit wacher Aufmerksamkeit die Entwicklung ihrer Kinder verfolgen, machen die Erfahrung, daß eine Kinderkrankheit, -wenn sie in rechter Weise überstanden wurde - sich segensreich auswirkt. Am deutlichsten kann man das bei den Masern beobachten. Kräftig auftretende Masern führen zu einer Art von Aufquellung der Haut und der Schleimhäute. Das führt zu Schnupfen, Bindehautentzündung, Husten mit Schleimabsonderung, vor allem aber zu einer Aufweichung der Gesichtszüge, die Konturen werden unscharf, was oft zu einer grotesken Veränderung der Gesichtsformen führt. Dann aber, nach zwei oder drei Tagen, gehen alle Schwellungen zurück, das Fieber und alle katarrhalischen Erscheinungen an Augen, Nase und Bronchien lassen nach. Langsam, aber immer deutlicher kommt dann ein neuer, oft fremder Gesichtsausdruck zur Erscheinung und nach einiger Zeit fällt aufmerksamen Eltern auf, daß vielleicht sogar die bisherige Ähnlichkeit des Kindes mit Vater oder Mutter abgenommen hat, daß ein neues, individuelleres Gesicht entstanden ist. Auch sonst zeigt sich oft eine Veränderung im Kinde. Eigenarten oder Schwierigkeiten im Wesen, die bisher zu bemerken waren, treten zurück. Das Kind ist offensichtlich in ein neues Entwicklungsstadium eingetreten. Will man es exakt ausdrücken, so kann man sagen: »Das Kind ist jetzt besser inkarniert«, Leib und Seele haben sich besser gefunden. Eine tiefere Erklärung für diese Vorgänge kann man nur geben, wenn man auf die intimeren Zusammenhänge im Menschenwesen eingeht: Das Kind konnte gewisse Besonderheiten, die es aus der Vererbung übernommen hatte, mit Hilfe des Fieberprozesses überwinden, und es ist nun erst richtig zu sich selbst gekommen. Sein eigenes Wesen, das, was seine innerste Persönlichkeit ausmacht, hat sich durchgesetzt - mit Hilfe der Masern und unter Mitwirkung des Fiebers.
Damit nähern wir uns dem eigentlichen Sinn einer solchen Erkrankung: Das Ich des Kindes, also sein in ihm wirkendes Wesen, benutzt die Wärme-Steigerung, die wir Fieber nennen, um zur Selbstverwirklichung zu gelangen. Es wird dadurch erst richtig Herr im eigenen Haus.
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