Der nachfolgende Beitrag wurde uns am 18.07.2003 mit folgenden Bemerkungen zur Veröffentlichung zugeschickt:
Vielen Dank und großen Respekt für die informative, ausführliche und sehr gelungene Auseinandersetzung mit dem Thema! Die Beiträge auf Ihrer Seite zeigen, von wie vielen Seiten man das Thema MLM betrachten kann und muss.
Dabei bilden gerade die MLM-Aussteiger eine weitestgehend unbeachtete Gruppierung von Menschen, die überwiegend eins gemeinsam haben: Fast alle haben die typischen Etappen ( Neugierde - Verwunderung - Begeisterung - Gegenreaktion - Zweifel - Trotzreaktion/Sturheit - Selbstzweifel - Mentaler Bruch - Ausstieg ) in individueller Konstellation und Ausprägung durchlebt - und fast alle haben finanziell draufgezahlt.
Auch ich bin ein MLM-Aussteiger, wobei meine Story im Vergleich noch relativ harmlos ist: ich musste weder einen großen finanziellen Verlust erleiden, noch wurde ich einer Gehirnwäsche unterzogen - abgesehen von den Psycho-Tricks, die beispielsweise bei der Gestaltung von 'Seminaren' angewendet werden. Ich habe auch keine Freunde oder Verwandte 'verloren', die heute kein Wort mehr mit mir reden oder gleich ausrasten, wenn ich den Namen meiner MLM-Firma auch nur erwähne - obwohl auch ich nur aufgrund des Menschenverstandes meiner Freundin (die alle meine späteren Erfahrungen vorhergesehen hat...) von der ein oder anderen Dummheit abgehalten wurde. Wirklich schade ist aber in jedem Fall die Zeit, die ich mit diesem Thema vergeudet habe.
Ich möchte ein paar persönlichen Beobachtungen umschreiben, die ich selbst machen oder bei anderen beobachten durfte. Dementsprechend sind auch die Schlussforderungen höchst subjektiv und nicht zwangsläufig identisch mit den Meinungen anderer Beteiligter. Meine Kritik zielt insbesondere auf die 'systembedingte' selektive Wahrnehmung, die vor allem im privaten Umfeld zu massiven Beeinflussungen führt.
Dabei möchte ich drei Thesen aufstellen:
Die beeindruckende Aura eines Systems der eindeutigen Lösungen entsteht - überspitzt formuliert - folgendermaßen:
Ein MLM-Berater, beispielsweise aus dem Nahrungsergänzungs-Bereich, verfügt spätes nach einer intensiven Schulung über Antworten auf scheinbar alle elementaren Fragen des Lebens und Überlebens:
Und während ein derartig 'beseelter' MLM-Freak sein Füllhorn über seinen verblüfften Mitmenschen ausschüttet, werden aus gutgemeinten Dialogen allmählich verbissene Monologe, gespickt mit den immer wiederkehrenden Phrasen:
Wenn ein MLM-Freak diese Botschaften zu 'seinen' Botschaften gemacht hat, ändern sich in der Regel auch die Sprach- und Redegewohnheiten. Oder anders formuliert: es spricht nun nichts mehr gegen die unverzügliche Adaption möglichst vieler kleiner und großer Strategien, wie ein (Verkaufs-)Gespräch zu führen ist. Wer dies gründlich lernt, hat bald auf ALLES eine Antwort, auch auf die heftigsten Gegenargumente!
'Normale' Gespräche über Gott und die Welt werden bewusst oder unbewusst in wenigen Assoziations-Schritten auf das Thema zurückgelenkt. Dieser Automatismus kann bei einigen MLM-Freaks nicht mehr oder 'nur unter Schmerzen' abgeschaltet werden. Der Mensch, den man vorher kannte, hat sich definitiv verändert. Und mit dieser Veränderung sind möglicherweise nette und gewünschte Wesenszüge zurückgetreten, etwa die Fähigkeit, sich entspannt, objektiv und un-intendiert über alles mögliche zu unterhalten und für alles aufgeschlossen zu sein. Aus angenehmen Zeitgenossen werden Pedanten aus Berufung, die man kaum noch zu sich einladen möchte.
Und während die MLM-Freaks vor lauter Begeisterungen das Luftholen vergessen, fragen sich die bangen Angehörigkeiten, wann denn SIE mal wieder an der Reihe mit der Aufmerksamkeit sind, und wann man wieder normale Dinge tun kann und über ganz normale (und hoffentlich dann immer noch 'gemeinsame') Angelegenheiten reden kann.
Diese Veränderung kann zu einem unübersehbaren Hindernis werden, zum Beispiel in der Familie, wenn mindestens ein nahestehender Mensch ein Problem mit der ganzen MLM-Geschichte hat. Ich möchte mir hier keine Fachkenntnisse andichten, aber ich glaube, dass MLM viele Partnerschaften kaputt macht, weil einer der Partner einen persönlichen Verlust zu beklagen hat - eben dadurch, dass sich in kürzester Zeit alles, womit (und mit wem) sich der andere Partner bis dahin beschäftigt hat, verändert.
Sehr bezeichnend ist die häufig zu findende Formulierung: Ich habe meinen Freund/meine Frau/... 'an' die Firma XY verloren. Nicht etwa 'wegen', 'durch' oder 'seit', sondern 'an' - wie nach einer schmerzhaften Trennung infolge eines/einer sich einmischenden Geliebten, der/die am Ende die Oberhand behält. Dabei entsteht ein gravierendes Ungleichgewicht, denn der MLM-Freak kann sich argumentative, motivierende und rhetorische Rückendeckung bei seinem MLM-Konzern respektive Up-, Down- und Sideline holen, während der andere, nichtpartizipierende Partner in der Regel nicht mehr zu bieten und zu verteidigen hat als sein 'stinknormales Leben'.
Bleibt die Frage: Über was bitte schön lohnt es sich denn jetzt noch zu unterhalten, wenn hier doch endlich jemand ein Konzept anbietet, bei dem keine Fragen offen bleiben ?
Nun sitzt uns also jemand gegenüber, der auf alles ein Antwort hat! Und zwar immer die gleiche! Doch wie ist das möglich, dass es auf einmal nur noch Antworten und keine Probleme gibt, wo doch weder die Politik, die Wissenschaft noch die Religion es bisher geschafft haben, alle drängenden Probleme unserer Zivilisation zu lösen?
Und schon drängt sich ein unheilvoller Verdacht auf: Hier ist Scheinlogik am Werke, und zwar im ganz großen Stil!
Ist ja auch kein Wunder: Wenn 'die Zeiten schlecht sind' und nichts so zu laufen scheint, wie es sollte - wie attraktiv für den menschlichen Geist muss dann ein Konzept scheinbar unanfechtbarer Fakten, ultimativem Problemslösungspotential und gleichzeitig noch grenzenloser Verdienstmöglichkeiten sein? Und dafür, daß sich diese Aura der argumentativen Unanfechtbarkeit erhält, wird auch aufmerksam Sorge getragen. Fakten, Gleichnisse, 'Bonmots' und Anekdoten werden ebenso in der Organisation weitergegeben wie handfeste Argumentationsmuster, Gesprächsleitfaden und pfiffige Ausreden auf unangenehme Fragen. Letztendlich bleiben es aber Anleitungen zum erfolgreichen Abschluss. Wer schreibt, der bleibt.
Und ohne dass ein weiterer Gedanke daran verschwendet wird (von wegen "think positive"), werden aus zumindest grundsätzlich objektiven Mitmenschen auf einmal Anwender und Verfechter einer absolut zielorientierten Rhetorik jenseits aller Zweifel - eine Technik, die in seriösen Firmen, wenn überhaupt, nur Mitarbeitern gestattet wird, welche für Ihre Vernunft und Ihren Menschenverstand bereits den Beweis erbracht haben - und die sich vielleicht etliche Jahre auf eine solche Aufgabe vorbereitet haben.
Viele mussten es selbst erleben: Mancher MLM-Newbie sieht sich prompt mit heftigen und (entsprechend seiner mangelnden Erfahrung) auch unverständlichen oder irrationalen Gegenreaktionen konfrontiert - und das von ihm nahestehenden Menschen, denen er doch nur etwas Gutes anbieten wollte. Familie, Freunde, Kollegen - überall stößt er auf die gleiche Mischung von Menschen, die wahlweise desinteressiert, feindselig, höflich-interessiert oder (auch das soll es geben) begeistert sind.
In dieser Situation sucht der schockierte MLM-Newbie, dem schließlich gesagt wurde, dass JEDER von seinen Bemühungen profitieren wird, Rat und Trost bei seiner Up-Line oder auf einem Seminar. Dort kriegt er dann Sätze zu hören wie:
oder aber auch:
Und spätestens jetzt wird es brenzlig..
In letzterem Fall fragt sich der verduzte Newbie, ob denn SEIN Traum überhaupt groß genug ist, um dadurch alle Widerstände aus dem Weg zu räumen? Ist die Verwirklichung dieses Traums für ihn wirklich wichtig genug, um dafür den 'Verlust' von Freunden und nahestehenden Menschen hinzunehmen, mit denen er dann nichts mehr zu tun haben möchte, weil er mit-ihnen oder bei-ihnen nicht weiter an seinem Geschäft arbeiten kann?
Das muss wohl ein ziemlich GROSSER TRAUM sein!
Er denkt sich: Ist dieser Traum auch wirklich so aufrichtig, ehrlich und realistisch, dass er mir das Recht verleiht, die Argumente und plausiblen Zweifel von Menschen bewusst zu überhören, die mir bisher immer die Wahrheit über mich selbst gesagt haben, vielleicht ein Leben lang? Doch wenn ich mich ständig auf Diskussionen mit meinem engeren Kreis einlasse, gibt das immer nur Ärger! Dabei mein ich es doch gut! Aber dafür hab ich eigentlich keine Zeit!
Und die übliche Antwort der Upline: "Konzentrier Dich auf den kalten Markt, dort brauchst Du niemandem Deine Hintergründe schildern, und wenn ein Geschäft mal platzen sollte, kann man sich ohne Probleme aus den Augen verlieren". ( ...wenn man nicht gerade in einem Haus wohnt ! Bestimmt ein heißes Thema für eine TV-Reportage! )
Gedanklich zu seinem 'großen Traum' zurückgekehrt, der ja letztendlich der psychologische Motor des ganzen Unternehmens sein soll, fällt Ihm prompt ein ganzer Stapel mit Erfahrungsberichten in die Hände, ausgefüllt von Menschen, die sich nun -dank MLM- inmitten Ihrer Residenzen, Luxuswagen und ewig nervenden Motoryachten präsentieren - so, als wollten Sie den ganzen Tag nur darüber lachen, dass SIE zur rechten Zeit etwas begonnen haben, was für SIE eine Geldmaschine geworden ist.
Etwas eingeschüchtert denkt sich unser Newbie : "Eigentlich war bislang alles was ich mir gewünscht habe ein neues Mountain-Bike und endlich mal wieder ein richtiger Urlaub... Soooo riesige Träume hatte ich bis heute gar nicht! Aber DAFÜR lohnt es sich natürlich nicht, meine Glaubwürdigkeit oder die gute Beziehung zu meinen vertrauten Menschen zu riskieren. Also muss mein Traum alle persönlichen Verluste wieder wettmachen. Also MUSS es dann wohl doch eher die Motor-Yacht sein, DAFÜR wird es sich ganz bestimmt lohnen!". Und noch eingeschüchterter: "Ich hab doch noch nicht einmal einen Boots-Führerschein".
Doch wie heißt es immer wieder in MLM-Kreisen : "Hüte Dich vor Traumfängern!"
Man möchte hinzufügen: "...auch wenn es nicht DEIN Traum ist!"
Und der Mythos der schnellen Millionen wird aufrechterhalten, eben auch aus dem Grund, weil tatsächlich immer wieder Leute in kurzer Zeit an die Spitze kommen.
ABER: die 'noch-nie-dagewesene' Anzahl möglicher MLM-Millionäre, die in einem bestimmten Zeitraum, in einem Land oder einer Downline infolge eines alle Grenzen sprengenden Boomes entstehen werden, sind mehr als fragwürdig, weil handfeste Fakten diese extrapolierten Werte bereits jetzt ad absurdum führen. Hin und wieder finden sich zwar Menschen, die scheinbar mühelos mit heißen Messern Ihren Anteil aus der Torte herausschneiden, doch nach den Gesetzen der Mathematik steht demgegenüber eine große Masse an Menschen, die kurz ins System einsteigen und bald wieder weg sind. Ansonsten müsste es nach ein paar Jahrzehnten MLM mehr Networker geben als Atome im Universum, was dem ein oder anderen sicher etwas bizarr erscheinen mag. Ist der Schaden VIELER zugunsten dem Erfolg WENIGER das eigentliche Geheimnis des MLM ?
Soviel steht fest: Im 'großen Bild' des MLM fehlen die subtilen, aber hartnäckigen Veränderungen, vor allem im privaten Umfeld. Familiäre Tugenden wie Geduld, Aufmerksamkeit oder Objektivität können für den einen an Bedeutung verlieren, wodurch ein anderer einen Verlust zu beklagen hat. Und schon ist die Krise da. Aus dem 'Arbeiten im Team' wird mancherorts ein 'Allein gegen die Familie'. Wie schade.
An diesen schmerzhaften und schwer zu greifenden Symptomen ändert weder das mathematisch so einleuchtende Rechenmodell im MLM etwas, noch die Tatsache, dass die Zahl der Menschen weiter ansteigen wird, die sich mit Hilfe einer 'revolutionären und brandaktuellen Geschäftsmöglichkeit' sanieren wollen. Etliche Menschen werden sich auch in Zukunft voll und ganz mit 'Ihrer' MLM-Firma identifizieren. Und fast genau so viele werden auch wieder aussteigen, womit die Probleme erst richtig losgehen.
Wenn der gefürchtete Ausstieg kommt, bleiben viele mit einem riesigen Berg "NICHTS" am Wegesrand zurück - und das, während Sie vielleicht finanziell angeschlagen, enttäuscht über die persönliche Niederlage oder einfach 'ausgebrannt' sind. Der süß-säuerliche Nachgeschmack der 'Patentlösungs-Phase' erzeugt ein Loch im Bauch - und einige Aussteiger mögen sich zu Recht fragen, womit dieses Loch wieder aufzufüllen sei - wenn nicht mit regelrechter Wut auf ein Unternehmen, für das Sie vor kurzer Zeit noch durchs Feuer gelaufen wären. Und im schlechtesten Fall passiert der Ausstieg zu einem Zeitpunkt, an dem weder in der Familie, noch bei Freunden oder Kollegen jemand übriggeblieben ist, der einen zur Seite nimmt und sagt: "Hör zu, Du hast es probiert, es hat nicht geklappt und jetzt hör auf zu jammern, überall auf der Welt probieren ständig Millionen Menschen irgendetwas aus und längst nicht alles davon funktioniert! Und mach Dir keine Sorgen, Du stehst bestimmt nicht als Idiot da. Erzähl einfach, wie es Dir ergangen ist (aber ehrlich!), und irgendwann ist das Thema erledigt. Aber versprich mir, dass Du Dir beim nächsten Mal BEIDE Seiten der Medaille anschaust, BEVOR du etwas unternimmst".
Denn: wie nach einem Ausstieg der persönliche Trost von der Up- und Downline ausfällt, haben viele erlebt, und nicht alle waren begeistert. Und der MLM-Konzern selber? Was könnte dieser 'seinen' Aussteigern wohl mit auf den weiteren Lebens-Weg geben? Im besten Falle gar nichts. Vielleicht endet manche intensive Zusammenarbeit aber auch einfach mit einem "Schade, dass Du unsere Philosophie IMMER NOCH NICHT verstanden hast, aber sei so gut und benutze wenigstens die Produkte weiter".
Nach einem Ausstieg verschwimmen dabei die Grenzen zwischen eigener 'Schuld' und 'Versagen' und den natürlichen Begleit- und Folgeerscheinungen einer maßlosen Selbst-Überforderung. Wenn man alleine eine prosperierende Downline im MLM aufbauen will (und genau das meinen ja alle zu wollen), sollte man im Idealfall alle Positionen selbst besetzen können: vom Prospektverteiler bis zum Unternehmensberater, Gesprächstherapeuten und Wirtschaftsjuristen, charismatischem Verkäufer und sensiblem Ansprechpartner in Produktfragen, bewandert in allen Marketing-Strategien, Kommunikationstechnologien und Rhetoriken, und das ganze gekrönt und untermauert von einem überwältigenden Erscheinungsbild.
Aber wer bitte schön kann denn DAS von sich behaupten?
Und wenn der eigentlich 'kinderleichte' Produktverkauf nicht läuft, konzentriert man sich halt aufs 'recruiting'. "Sollen doch andere die Rennerei machen, ich sehe mich eher als Vermittler und Segensbringer!" Wenn dann der Kampf ums Buffet härter wird, geht es am Ende doch wieder nur um das 'game of numbers', die große Lotterie: Wen kann ich ins System bringen, der mir mittelfristig den großen Scheck bringt? Wer findet als erstes den 'big player' von morgen? Doch für viele ist die Party schon viel früher zu Ende.
Wenn sich der psychologische Druck im MLM weiter erhöht (und das wird er, vor allem beim 'Recruiting') und immer mehr Risikobereitschaft bewusst geweckt wird, etwa für die sofortige Qualifizierung für den ersten Level, die per Kredit sofort geordert wird - dann wird sich sowohl die Zahl der Aussteiger als auch das Ausmaß von finanziellen und persönlichen Problemen dieser 'Gefallenen' weiter erhöhen. Und einige dieser Menschen werden sich aus eigener Kraft nicht hochpäppeln können, weil Ihr soziales Sicherheitsnetz schlimmstenfalls ebenfalls weg ist. Diese Menschen werden Hilfe benötigen.
Aber welche Hilfe? Wenn jeder ein Geschäft auf seine Art und Weise betreiben kann, kann doch auch jeder auf seine Art und Weise damit scheitern, oder? Unternehmerisches Risiko? Pech? Fehleinschätzung? Naivität? Faulheit? Mangelnde 'Ziel-Fixierung'?
An wen können sich diese Menschen wenden, insbesondere wenn das eigene Umfeld verheizt ist? Kann man Verständnis und Hilfe von Leuten erwarten, denen man zuvor ewig auf die Nerven gegangen ist und die man für geistig beschränkt erklärt hat, weil sie sich beharrlich geweigert haben, die 'große Lösung' in all Ihrer Pracht zu erkennen und mitzumachen? Wer den Schaden hat, braucht für Spott bekanntlich nicht zu sorgen. Und WER KANN diesen Menschen überhaupt helfen? (An dieser Stelle erneut großes Lob für Ihre Internet-Seite, viele Anlaufstellen dieser Art gibt es bekanntlich nicht!)
Eine andere Variante: der persönliche Stolz, vielleicht auch Scham, führen dazu, dass nach dem Ausstieg eisig geschwiegen wird, während beispielsweise der finanzielle Schaden noch Ewigkeiten nachwirkt. Ob das die Lösung ist ?
Es ist (wiederum entsprechend den Gesetzen der Mathematik und den Prognosen der Konzerne) nur eine Frage der Zeit, bis die Erscheinungsformen und Geldströme im MLM die Aufmerksamkeit der Volkswirtschaft ebenso wie des Sozialwesens verstärkt auf sich ziehen. Das globale Prinzip mit seinem flirrend-luftigen und grenzenlosen Organisationsaufbau und den 'internationalen Einkommen' hinterlässt lokal dafür Probleme - und Kosten. Und am Ende kommt es, wie es kommen muss: Wer zahlt die Zeche, wenn das Fest vorüber ist?
Es gibt nach meiner Einschätzung keine Anzeichen einer Trendwende oder eines Sinneswandels in Form eines breiten gesellschaftlichen (geschweige denn juristischen) Konsens über wichtige Fragen rund um das Thema MLM.
Wo hört die individuelle und legale Gestaltung von Geschäftsbeziehungen auf und macht einer nicht gewünschten oder nicht mehr tolerierbaren Meinungsprägung im großen Stil Platz, die alles andere wegdrängt und ihre Adepten im schlimmsten Fall zu blinden "WayOfLife"-Konsumenten oder gescheiterten Existenzen macht, im Normalfall aber zumindest zur Erleichterung der Brieftasche beiträgt? Und das, während Sie exakt so viele 'Ausnahmen' (also Leute, die es tatsächlich im MLM geschafft haben) hervorbringt, die nötig sind, um das motivatorische Theater aufrechtzuerhalten.
Doch wo endet die Motivierung und beginnt die Manipulation? Wo endet das Recht auf freie Meinungsäußerung und Selbstverwirklichung und wo enden die Rechte fast schon virtuell operierender Konzerne und 'Systeme', welche parallel in exorbitant vielen Bereichen des persönlichen Lebens ihrer Repräsentanten ansetzen, um doch nur Ihrer Gewinnabsicht zu folgen?
Selbstverständlich gibt es auch ganz handfeste, aber dennoch ungeklärte Fragen: Wann und wie können die schwarzen Schafe zur Rechenschaft gezogen werden, die mit allen Tricks ihre Neuerwerbungen zur Schuldenaufnahme motivieren, weil Sie sich auf Qualifizierungs-Prämien 'spezialisiert' haben und die weitere Betreuung dann eben nicht stattfindet? (Manche MLM-ler erfahren erst im Nachhinein, dass die schuldenlastige Qualifizierungs-Order gar nicht vom Unternehmen verlangt, sondern vom Sponsor 'empfohlen' war...).
Welche Informationen muss der Neu-Networker zu welchem Zeitpunkt kennen, und welche Aspekte des Geschäfts dürfen Ihm nicht verschwiegen werden? Mal ehrlich: wer liest sich die Berater-Verträge schon ganz durch, wenn der Sponsor ihm doch ALLES erklären kann?
Die im normalen Geschäftsgebaren obligatorische 'Verantwortlichkeit' wird zu einem Phantom, welches sich in den Untiefen (oder luftigen Höhen) der Upline verläuft. Gemäß der Definition des MLM 'braucht' niemand den Überblick zu behalten und für die Summe der Effekte am Markt gerade stehen. Kann man einen 'Way Of Live' vor Gericht stellen?
Viele Fragen bieten sich zur Diskussion an, und es gibt immer mehr Menschen, die an dieser Diskussion teilnehmen wollen und werden. Vielleicht schafft es ja ein Berufenerer als ich es einmal auszurechnen, wie viele Aussteiger (und welche Schuldenaufnahmen) auf jeden MLM-Millionär kommen. Oder wie hoch die Scheidungsrate im MLM ist. Diese Zahlen, da bin ich mir sicher, würden uns alle überraschen!
Dokument erstellt: 21.07.2003