LANDGERICHT ROSTOCK
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
Klägerin und Beschwerdeführerin, XXXXX
- Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Zielasko, Rosa-Luxemburg-Straße 32, 18055 Rostock -
gegen
Beklagte und Beschwerdegegnerin, XXXXXX
- Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Guder & Puskas, Tibarg 38, 22459 Hamburg -
hat die 1.
Zivilkammer des Landgerichts Rostock durch den Präsidenten des Landgerichts
Dr. Hückstädt, Richter am Landgericht Apprich und Richter am Amtsgericht Dr.
Jäschke am
11.11.1998
b e s c h l o s s e n :
Auf die Beschwerde der
Klägerin wird der ihr Prozesskostenhilfe versagende Beschluß des
Amtsgerichts Rostock vom 22.10.1998 - 41 C 282/98 - abgeändert:
Der
Klägerin wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und
Rechtsanwalt Zielasko in Rostock beigeordnet. Gerichtskosten werden nicht
erhoben; außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.
G r ü n d e :
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde der Klägerin ist
begründet. Die Rechtsverfolgung der Klägerin bietet hinreichende
Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig (§ 114 ZPO).
Nach
bisherigem Sachvortrag steht der Klägerin der von ihr gegen die Beklagte
geltend gemachte Zahlungsanspruch aus §§ 13 Abs. 6 Nr. 2 i.V.m. 6 c UWG, §§
823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i.v.m. 6 c UWG und § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB
zu.
Gemäß § 13 Abs. 6 Nr. 2 UWG ist zum Schadenersatz verpflichtet, wer § 6
c UWG vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt.
Nach § 6 c UWG wird
bestraft, wer es im geschäftlichen Verkehr selbst oder durch andere
unternimmt, Nichtkaufleute zur Abnahme von Waren, gewerblichen Leistungen
oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, ihnen besondere Vorteile
für den Fall zu qewähren, dass sie andere zum Abschluß gleichartiger
Geschäfte veranlassen, denen ihrerseits nach der Art dieser Werbung
derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer gewährt
werden sollen.
Das Verhalten der Beklagten erfüllt diesen Tatbestand. Die
Klägerin ist Nichtkaufmann und wurde durch die Beklagte zum Kauf eines
Koffers, mithin zur Abnahme einer Ware veranlasst. Der von der Beklagten
veranlasste Verkauf erfolgte im geschäftlichen Verkehr.
Diesem Begriff
unterfällt jede selbständige, wirtschaftliche Zwecke verfolgende Tätigkeit,
in der eine Teilnahme am Geschäftsleben zum Ausdruck kommt (Köhler/Piper,
UWG, § 6 c Rn.6). Die Beteiligung der Beklagten an dem Vertriebssystem der
Dr. Krüger Forschung und Vertrieb GmbH (im folgenden: GmbH) hat danach
geschäftlichen und keinen privaten Charakter. Letzteres würde
voraussetzen, dass sich die Tätigkeit des Initiators darauf beschränkt, die
Aktion in Gang zu setzen, im übrigen aber die Veranstaltung allein in der
Verantwortung der privaten Teilnehmer liegt (Granderath, wistra 1988, S.
173, 175).
Als ein derartiges Selbstläufersystem ist der Koffer-Vertrieb der
GmbH nicht angelegt. Sämtliche Kaufgeschäfte der im Pyramidensystem
geworbenen Kunden werden unmittelbar mit der GmbH abgewickelt. Die in
das Vertriebssystem eingebundenen Kunden werden für den Verkauf eines
Koffers an jeden weiteren Kunden mit einer Prämie in Höhe von DM 800,-
beteiligt. Die Organisation und Kontrolle des Verkaufssystems verbleibt
jedoch bei der GmbH. Die gewinnorientierte Beteiligung der Beklagten an
diesem System hat daher geschäftlichen Charakter.
Der Verkauf des
Koffers an die Klägerin erfolgte mit dem durch § 6 c UWG unter Strafe
gestellten Mittel der progressiven Kundenwerbung. Hierunter zu verstehen ist
das Versprechen der Gewährung besonderer Vorteile für den Fall des
Einspannens weiterer Abnehmer in das in Frage stehende Werbe- und
Vertriebssystem (Köhler/Piper, a.a.O., Rn.8). Ein Einspannen in diesem Sinne
beabsichtigte die Beklagte gegenüber der Klägerin, indem sie ihr für jeden
verkauften Koffer einen Erlösanteil von DM 800,- versprach. Dieser, auch im
Verhältnis zum Kaufpreis von DM 5.950,- - nicht geringwertige Geldbetrag ist
ein von § 6 c UWG erfasster besonderer Vorteil. Der der Klägerin
versprochene Vorteil sollte vom Veranstalter, der GmbH, gewährt werden. Dies
ergibt sich aus der Präsentation der GmbH am 11. Januar 1998.
Das nach
Vortrag der Klägerin (vgl. Klageschrift, Seite 2, Absatz 4, Satz 2) von der
Beklagten abgegebene Versprechen, das Geld von ihr selbst zu erhalten, steht
dieser Feststellung nicht entgegen. Der Veranstalter gewährt auch dann
den besonderen Vorteil, wenn er ihn dem Abnehmer mittelbar über eine in
seinem Auftrag handelnde Person oder Stelle zukommen läßt
(Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., § 6 c Rn.8;
Köhler/Piper, a.a.O., Rn.11).
Die versprochene Prämie ist Teil des an
den Veranstalter zu entrichtenden Kaufpreises. Sie stammt damit aus
seinem Vermögen und nicht aus dem der Beklagten als Erstabnehmerin.
Etwaige interne Absprachen zwischen der GmbH und der Beklagten betrafen
nur die Zahlungsmodalität, stellten die Vorteilsgewährung durch die GmbH
jedoch nicht in Frage.
Der Tatbestand des § 6 c UWG ist damit erfüllt.
Für den sich hieraus ergebenden Schadenersatzanspruch gemäß § 13 Abs. 6
Nr. 2 UWG ist die Beklagte auch passiv legitimiert. Dies gilt unabhängig
davon, ob sie aufgrund einer engen organisatorischen Verflechtung mit
der GmbH Mitveranstalterin des Vertriebssystems ist. Die Beklagte ist
jedenfalls Gehilfin im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB. Nach der
Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 10/5058 S. 38, 39). Werden lediglich
"Personen, die im Einzelfall Opfer dieser...von Werbung geworden
sind,... straflos (bleiben), da sie allenfalls als notwendige Teilnehmer
anqesehen werden".
Der angeworbene Kunde wird also nicht bestraft,
soweit er sich selbst zur Abnahme der Leistung unter den Voraussetzungen des
§ 6 c UWG bereit erklärt hat. Wird der Angeworbene jedoch seinerseits - wie
hier die Beklagte - durch Anwerbung Dritter selbständig tätig, indem er
ihnen besondere Vorteile in Aussicht stellt, ist er nicht mehr nur
notwendiger Teilnehmer, sondern (Sub-) Unternehmer im Rahmen des vom Gesetz
mißbilligten Systems und unterfällt insoweit als solcher der
Strafdrohung des § 6 c UWG (Köhler/Piper, a.a.O., Rn.15;
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rn.13).
Der Beklagten waren nach
unwidersprochener Behauptung der Klägerin sämtliche den Tatbestand des § 6 c UWG begründenden Umstände bekannt. An ihrem Bewusstsein, durch
Anwerbung der Klägerin das gesetzeswidrige Vertriebssystem der GmbH
fördernd zu unterstützen, bestehen keine Zweifel.
Da die Beklagte der
GmbH somit vorsätzlich Hilfe geleistet hat, haftet sie der Klägerin gemäß §
13 Abs. 6 Nr. 2 UWG auf Schadenersatz. Diese zivilrechtliche Verpflichtung
knüpft allein an die schuldhafte Zuwiderhandlung gegen § 6 c UWG und
unabhängig von der Art der strafrechtlichen Beteiligung an. Sie trifft daher
nicht nur den Veranstalter, sondern auch Mittäter, Anstifter oder Gehilfen.
Eine hiervon abweichende Aussage ist auch dem Urteil des Landgerichts
Hamburg vom 22.11.1996 (NJWE-WettbR 1997, S.131 ff.) nicht zu entnehmen.
In dem dort zu entscheidenden Fall stellte sich diese hier aufgeworfene
Rechtsfrage nicht, weil dort - anders als hier - gerade der Veranstalter
in Anspruch genommen wurde.
Der ersatzfähige Schaden der Klägerin
besteht im Verlust von den ihr an die Beklagte gezahlten Geldbetrages
von DM 5.950,-. Im Wege der Vorteilsausgleichung hat die Klägerin
mangels Gleichartigkeit der empfangenen Gegenleistung - Zug um Zug gegen
Erfüllung des Schadenersatzanspruchs an die Beklagte den Koffer
herauszugeben (vgl. BGHZ 27, 248).
In gleicher Weise haftet die Beklagte
aus §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 c UWG. Die
wettbewerbsrechtliche Strafvorschrift ist Schutzgesetz im Sinne des §
823 Abs. 2 BGB. Der von § 6 c UWG bezweckte Individualschutz ergibt sich
bereits aus dem mit dieser Norm korrespondierenden Individualanspruch
aus § 13 Abs. 6 Nr. 2 UWG.
Der schuldhafte Verstoß der Beklagten gegen §
6 c UWG und ihre Gehilfenstellung wurden vorstehend festgestellt.
Schließlich steht der Klägerin der Zahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1
Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Die Beklagte ist durch Leistung der Klägerin
Zahlung von DM 5.950,- am 12.03.1998 - bereichert. Für diese
Vermögensverschiebung fehlte ein Rechtsgrund. Der im Vollzug
progressiver Kundenwerbung geschlossene Vertrag ist sowohl wegen
Gesetzesverstoßes gemäß §§ 134 BG8, 6c UWG als auch wegen
Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs.1 BGB nichtig (vgl. OLG München, NJW
1986, S.1880, 1881). Die Nichtigkeitsfolge beschränkt sich nicht auf die
zwischen dem Veranstalter und dem Erstkunden getroffene Vereinbarung. Sie
erstreckt sich auf sämtliche Anschlussgeschäfte, die mit weiteren Kunden
getätigt werden (Baumbach/Hefermehl, a.a.o., Rn.14; Köhler/Piper, a.a.O.,
Rn.22) und damit auch auf den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag. Die
Beklagte hat weder ein Vertretergeschäft behauptet noch ihre
Bereicherung in voller Kaufpreishöhe bestritten. Sie hat daher der
Klägerin den rechtsgrundlos erlangten Betrag von DM 5.950,- Zug um Zug
gegen Rückgabe des Koffers (Saldotheorie) zurückzuerstatten.
Da die
Klägerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in
der Lage ist, die Verfahrenskosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten, war
ihr für die erfolgversprechende Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.