Wettbewerbsrecht - Vertriebssystem - UWG § 1
Oberlandesgericht München, Urteil vom 6. Juli 1995 -29 U 2847/94
Ein Vertriebssystem zum Absatz von Waren, die bundesweit von ca. 30.000
Werbern vertrieben werden, verstößt nach den Grundsätzen der unerlaubten
Laienwerbung und der progressiven Kundenwerbung gegen § 1 UWG, wenn die
Werber zu 90 % nebenberuflich und nach dem Marketingplan vorwiegend in
ihrem Verwandten-und Bekanntenkreis tätig sind und wenn ihnen für die
Anwerbung neuer Kunden besondere Vorteile versprochen werden.
Aus dem
Tatbestand:
Die Klägerin vertreibt diätetische Lebensmittel und
Körperpflegemittel.
Die Beklagte zu 1) ist die deutsche Tochtergesellschaft
eines amerikanischen Unternehmens, die ebenfalls diätetische Lebensmittel
(H. -Produkte) und seit Anfang 1995 auch Parfums vertreibt.
Die Beklagte
zu 2) ist innerhalb des Vertriebssystems der Beklagten zu 1) tätig.
Die
Parteien streiten im wesentlichen über die wettbewerbsrechtliche
Zulässigkeit des Vertriebssystems der Beklagten zu 1).
Dieses
Vertriebssystem weist folgende Merkmale auf: Die Waren werden durch sog.
Berater im Direktvertrieb an Endverbraucher verkauft. Diese Berater
haben laut Vertrag die Stellung von selbständigen
"Verkaufskommissionären". Sie haben bei der Warenbestellung eine
"Sicherheitsleistung" in Höhe des Endverkaufspreises abzüglich der
umsatzabhängigen "Provision" zu bezahlen, die nach Abwicklung des
Geschäfts endgültig bei der Beklagten zu 1) verbleibt. Berater kann
jedermann werden, wobei in erster Linie Personen angesprochen werden,
die einen Nebenverdienst anstreben, nach den Angaben im Werbeprospekt
der Beklagten zu 2) auch die "unerfahrenste Hausfrau. Die Berater sollen
ihrerseits weitere Berater anwerben und dadurch die Stellung eines
Vertriebsleiters (Sponsors) erlangen. Diese Anwerbung kann und soll sich
nach dem H.-Marketing Plan auf "endlose Tiefe" erstrecken. Ein Aufstieg
in der Vertriebshierarchie zu einem "National Expansion Team" weiter zum
"Millionaire Team und schließlich zum "Presidents Team' ist ebenfalls
vorgesehen.
Die Klägerin erachtet dieses Vertriebssystem als
wettbewerbswidrig, insbesondere gegen § 6 c UWG verstoßend.
Sie hat in
erster Instanz folgende Anträge gestellt:
1. Die Beklagten haben an die
Klägerin 3.487,- DM zu bezahlen (Insoweit beantragt die Klägerin auf Grund
eines Anerkenntnisses der Beklagten den Erlass eines Anerkenntnisurteils).
2. a) Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, es bei Meidung
eines Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,-, ersatzweise Qrdnungshaft oder
einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
das Produkt H. im Rahmen eines Vertriebssystems nach Maßgabe des
H.-Marketing Plans gemäß Anlage K 1, Seite 3 zu bewerben oder zu
vertreiben und/oder vertreiben zu lassen.
b) Die Beklagten werden
samtverbindlich verurteilt der K1ägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der
dieser durch Handlungen nach Ziffer 1 seit 01. 12. 1992 entstanden ist und
noch entsteht.
c) Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft
darüber zu erteilen, in welchem Umfang Werbe- und Vertriebshandlungen nach
Ziffer 1 vorgenommen wurden und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, aus
welchem sich aufgeschlüsselt nach Distributor, Supervisor,
Nationalexpansionsteam, Millionärsteam und Präsidententeam, die
jeweiligen Umsätze mit dem Produkt H. ergeben.
Die Beklagten haben
beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben ausgeführt, daß ihr
Vertriebssystem sich nicht von anderen unbeanstandeten
Direktvertriebssystemen unterscheiden, insbesondere nicht gegen § 6 c UWG
verstoße.
Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es ist
dabei davon ausgegangen daß das Vertriebssystem gegen § 6 c UWG verstoße.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten zu 1) und 2).
Die Beklagten stellen zunächst zur Überprüfung, ob ihrem Anspruch auf
den gesetzlichen Richter Genüge getan sei, weil ein kurzfristig
angesetzter Wechsel des Vorsitzenden Richters stattgefunden habe und der
neue Vorsitzende, wie auch aus dem Urteil ersichtlich, sich nur kurz mit
der Sache befaßt habe. Das Urteil sei im übrigen schon deshalb
aufzuheben, weil es nicht den Mindestanforderungen an eine
ordnungsmäßige Begründung genüge.
Die Beklagten bestreiten sodann die
Klagebefugnis der Klägerin und das Bestehen eines konkreten
Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien. Insbesondere bestreiten sie,
daß die Klägerin gleichartige Waren wie die Beklagten herstelle und
vertreibe und daß sie in marktrelevantem Umfang auf dem deutschen Markt
tätig sei.
Zu den von der Klägerin behaupteten Ansprüchen tragen die
Beklagten vor:
Ein Unterlassungsanspruch bestehe nicht, weil ihr
Vertriebssystem weder gegen § 6 c UWG noch - nach entsprechendem Hinweis des
Senats in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.1995 - gegen § 1 UWG
verstoße. Ein Schadensersatzanspruch bestehe mangels eines Schadens der
Klägerin nicht. Zum Auskunftsanspruch meinen sie, dass jedenfalls die
Verurteilung zur Auskunft "unter Vorlage eines Verzeichnisses, aus
welchem sich aufgeschlüsselt nach Distributor, Supervisor,
Nationalexpansionsteam, Millionärsteam und Presidents' Team, die
jeweiligen Umsätze mit dem Produkt H. ergeben," ungerechtfertigt, weil
zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs nicht erforderlich, sei.
Die Beklagten sind im übrigen der Auffassung, ein Verbot ihres
Vertriebssystems würde gegen Art. 30 EGV verstoßen, weil in anderen
Mitgliedstaaten der EG Waren in gleicher Art und Weise unbeanstandet
vertrieben würden. Aus diesem Grund beantragen sie, die Frage der
Anwendbarkeit des Art. 30 EGV auf ein Vertriebssystem mit einer
Absatzförderung über Boni und Provisionen, wie im Tatbestand des
erstinstanzlichen Urteils beschrieben, dem Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften vorzulegen.
Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen, unter
teilweiser Aufhebung des Urteils des Landgerichts München II die Klage
insoweit abzuweisen, als sie über den von den Beklagten anerkannten
Zahlungsanspruch in Höhe von DM 3.487,00 hinausgeht, hilfsweise, unter
Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das Landgericht München II
zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Hinblick auf die von der Beklagten zu 1) Anfang 1995 vorgenommene
Ausweitung des Vertriebs auf Parfümerieartikel hält die Klägerin eine
Klarstellung ihres erstinstanzlichen Antrags für erforderlich. Sie
formuliert ihren Unterlassungsantrag nunmehr wie folgt:
"Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,-, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für den Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs H.-Produkte, nämlich Produkte des H.-Ernährungsprogramrns (z.B. Formula 1 und 2) sowie Parfümerien (Eau-de-Toilette) im Rahmen eines Vertriebssystems nach Maßgabe des H-Marketirigplans gemäß Anlage K 1 Seite 3 zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen."
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Beklagten zu
1) und 2) ist zulässig, aber nicht begründet. Ihre Rügen gegen das
erstinstanzliche Verfahren sind nicht gerechtfertigt. Die Klägerin ist
prozeßführungsbefugt. Ihr stehen die geltend gemachten Unterlassungs- ,
Schadensersatz- und Auskunftsansprüche zu.
I. Verfahrensrügen
Den
Beklagten wurde der gesetzliche Richter nicht entzogen. Der Wechsel des
Vorsitzenden Richters beruhte auf einer Änderung des
Geschäftsverteilungsplans und war daher nicht zu beanstanden. Dass der
neue Richter erst kurz vor der bereits angesetzten mündlichen
Verhandlung das Amt übernahm und dementsprechend nur kurze Zeit zur
Einarbeitung in die Akten hatte, berührte seine Stellung als gesetzlich
zuständiger Richter nicht, zumal er den Parteien versicherte, sich in
die Akten eingelesen zu haben, und alle Parteivertreter ihr
Einverständnis mit der Verhandlung und Entscheidung durch ihn als
Einzelrichter zu Protokoll erklärt hatten.
Das Urteil genügt auch den
Anforderungen an die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO. Es läßt die
für das Gericht maßgebliche Rechtsgrundlage der Entscheidung (Anerkenntnis;
§ 6 c UWG) erkennen und enthält auch eine, wenngleich sehr knapp gehaltene
Subsumtion.
II. Prozessführungsbefugnis der Klägerin
Die Klägerin ist
als unmittelbar Verletzte klagebefugt, ohne dass die in § 13 Abs. 2 Nr. 1
UWG genannten Voraussetzungen vorliegen müssten. Die Klägerin ist nämlich
unmittelbare Wettbewerberin beider Beklagter. Der Vertrieb der Beklagten
kann sich nachteilig auf den Umsatz der Klägerin auswirken. Dies gilt zum
einen für die Produkte "bella-fit" und "form + fit", die - wie sich aus dem
Werbeprospekt ergibt - der täglichen Nahrungsaufwertung und der
Gewichtreduktion dienen sollen. Sie wendet sich an den gleichen Kundenkreis
wie die Beklagten mit ihren Produkten, die der "gezielten
Gewichtsabnahme" und der "Versorgung mit lebensnotwendigen Nährstoffen"
dienen sollen.
Dies gilt aber auch für die erst später in den Vertrieb
aufgenommenen Körperpflege-Produkte der Beklagten, "Dermajetics" und
Parfums. Denn die Klägerin produziert und vertreibt laut Prospekt
Erzeugnisse zur "edlen Körperpflege" sowie "Atherische Öle". Mag es sich
dabei auch um keine klassischen Parfüms oder Eaux de Toilette handeln, so
können sich die Produkte der Parteien in diesem Bereich gleichwohl im Absatz
behindern, weil jedenfalls für einen Teil der angesprochenen Käuferschichten
eine Substitution möglich ist. Der Zeuge N. hat glaubhaft vorgetragen, dass
die Klägerin ihre Produkte "bella-fit" und "form + fit" über etwa 120
Händler und durch Postversand im Direktvertrieb nahezu flächendeckend in
ganz Deutschland vertreibt und dass ihre jährlichen Gesamtaufwendungen für
die Werbung für die gesamte Produktpalette etwa 20.000, DM betragen, ferner,
dass folgende Umsätze für "bella-fit" und "fit + form" erzielt wurden: 1992
5.000 Gebinde; 1993 3.000 Gebinde; 1994 1.500 Gebinde, jeweils a 6
Dosen.
Da die Klägerin ihre Produkte flächendeckend über Händler und im
Wege des Postversandes vertreibt, besteht ein konkretes
Wettbewerbsverhältnis auch zur Beklagten zu 2).
III. Unterlassungsanspruch
Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch, so wie
er von ihr zuletzt im Wege der Klarstellung formuliert wurde, zu. Die
Klarstellung war aufgrund der Erweiterung des von den Beklagten vertriebenen
Warensortiments geboten. Es handelt sich dabei auch um keine
Klageerweiterung, da der Unterlassungsantrag im Kern auf das
Vertriebssystem als solches zielt.
1. Ob sich der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch aus § 13 Abs. 1 i.m.V. § 6 c UWG ergibt, wie das
Landgericht meint, kann dahinstehen. Denn §6 c UWG enthält keine
abschließende Regelung progressiver Absatzsysteme. Vielmehr sind die
Generalklauseln der §§ 1 und 3 UWG ergänzend, also auch dann anwendbar, wenn
der Straftatbestand des §6 c UWG nicht verwirklicht ist (vgl.
Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht, 17 Aufl., § 6 c Rdn. 14).
2. Das
Vertriebssystem der Beklagten verstößt jedenfalls gegen § 1 UWG und zwar
sowohl unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen Einsatzes von Laienwerbern
als auch unter dem der unzulässigen progressiven Kundenwerbung.
a) Das
Vertriebssystem der Beklagten zu 1) enthält ausreichend viele Merkmale einer
unzulässigen Laienwerbung.
Als "Laie" im Sinne der Rechtsprechung zur
Laienwerbung sind u.a. auch Vertreter im Nebenberuf anzusehen. Die Beklagte
zu 1) räumt selbst ein, "dass mehr als 90 % der Berater das H.-Geschäft
nebenberuflich betreiben". Dazu soll "ein erheblicher, nach den bisherigen
Erkenntnissen jedoch nicht überwiegender Anteil von Hausfrauen, die
zudem häufig über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen',
gehören. Somit ist davon auszugehen, dass "Laienwerber" eingesetzt
werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Einsatz
von Laien beim Warenvertrieb nicht schon deshalb wettbewerbswidrig, weil es
sich bei den eingesetzten Personen nicht um berufsmäßige Werber handelt
(vgl. BGH GRUR 1959, 285, 285 f. - Bienenhonig). Vielmehr kommt es auf
die Umstände des Einzelfalls an. Allerdings ist wegen der vielfältigen
Bedenken gegen diese Art von Kundenwerbung ein strenger Maßstab
anzulegen (vgl. BGH GRUR 1991, 150 - Laienwerbung für Kreditkarten; GRUR
1992, 622, 624 - Verdeckte Laienwerbung; GRUR 1995, 122, 123 -
Laienwerbung für Augenoptiker).
Wettbewerbswidrig wird der Einsatz von
Laienwerbern jedenfalls dann, wenn sich im Einzelfall mehrere Bedenken
summieren. Dies ist hier der Fall.
Bedenklich am Vertriebssystem der
Beklagten zu 1) ist vor allem die damit verbundene "Kommerzialisierung der
Privatsphäre" der vom Laienwerber angesprochenen Personen (vgl. BGH GRUR
1974, 341, 342 - Campagne) mit den damit verbundenen Gefahren der
Belästigung und unsachlichen Beeinflussung. Wie sich insbesondere auch aus
dem
H.-Beraterhandbuch ergibt, sollen als Kunden vor allem " Freunde"
"Arbeitskollegen", "Verwandte", und "Nachbarn" angesprochen werden. In
einer Checkliste werden u.a. "Trauzeugen", "Kegelbrüder/Tennispartner",
"Mitglieder von Clubs und der Kirchengemeinde", "Lehrer/Elternbeirat"
und "Die Kollegen Ihres Gatten/Ihrer Gattin" aufgeführt. Die Werber
sollen also gezielt auch und vor allem ihre Privatkontakte zum Vertrieb der
Produkte und zum Gewinnen neuer "Berater" nutzen. Sie werden aufgefordert,
persönliche Treffen zu vereinbaren und Einladungen zu sich nach Hause
auszusprechen. Zu diesem Zweck sollen die Umworbenen angerufen oder besucht
werden. Es liegt auf der Hand, dass viele der so Angesprochenen das
Eindringen in ihre Privatsphäre zu geschäftlichen Zwecken als Belästigung
empfinden werden. Diese Belästigung wiegt um so schwerer, als sich die
Angesprochenen vielfach wegen der privaten Beziehung zum Laienwerber dem
Werbegespräch nur schwer entziehen können.
Zu Recht wird darauf hingewiesen,
daß die Ausnutzung nachbarschaftlicher und persönlicher Beziehungen zu einer
noch stärkeren Belastung der Intimsphäre führt als die Hausbesuche
ambulanter Händler (vgl. Baumbach/Hefermehl § 1 Rdnr. 202). Auf der anderen
Seite besteht aber auch die Gefahr der unsachlichen Beeinflussung der
Umworbenen. Soweit es den Kauf von Produkten angeht, mögen sich die
Umworbenen häufig scheuen, das Angebot des ihnen privat bekannten Werbers
abzulehnen oder sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Diese Gefahr ist um
so größer, als es sich bei den von der Beklagten zu 1) angebotenen
Schlankheitsmitteln und - seit jüngster Zeit - auch Parfüms um Waren
handelt, die sensible persönliche Bereiche betreffen und der Laienwerber
gehalten ist, bei den Werbegesprächen seiner "Begeisterung über H. Ausdruck
zu verleihen" und "mit Begeisterung von den hervorragenden Ergebnissen (zu)
berichten", die er "mit den Produkten erzielt" habe. Bei dieser
Einflussnahme mögen Güte und Preiswürdigkeit für den Umworbenen nicht mehr
die entscheidenden Kriterien des Kaufentschlusses sein. Auch ist die Gefahr
einer einseitig positiven oder unzulässigen vergleichenden Werbung durch
den Laienwerber nicht von der Hand zu weisen. Daran ändert es nichts,
dass die Beklagte zu 1) durch die Herausgabe von Richtlinien dem
entgegenzuwirken versucht. Denn naturgemäß lässt sich das Vorgehen der
Laienwerber, weil im privaten Bereich sich abspielend, nicht ausreichend
kontrollieren.
Soweit es um die Anwerbung neuer "Berater" geht, besteht
die Gefahr, dass sich die Umworbenen durch die Behauptung hoher
Verdienstchancen verlocken lassen, ohne sachlich-nüchterne Prüfung des Für
und Wider in die Organisation der Beklagten zu 1) einzutreten und hierfür
nicht unbeträchtliche Anstrengungen und Aufwendungen auf sich zu nehmen.
Beispielhaft sei angeführt, daß die Anwärter eine Reisegewerbekarte
nachweisen müssen, dass sie das lnformations- und Werbematerial auf
eigene Kosten anzuschaffen haben, dass sie insbesondere, um "Berater" zu
werden, eine "Grundausstattung" erwerben müssen und dass sie, obwohl
rechtlich als "Verkaufskommissionäre" tätig, für die zu vertreibenden
Produkte eine "Sicherheit" in Höhe des (faktischen) Einkaufspreises
leisten müssen. Auch Schulungsmaßnahmen in Hotels sind nach den
unbestrittenen Angaben der Klägerin von den Anwärtern selbst zu bezahlen
(vgl. auch Anlage K 14 Bl. 2: "Das Seminar kostet sie 355, DM. Aber
danach geht für Sie die Post ab, das kann ich Ihnen garantieren.")
Schließlich fällt eine jährliche " Bearbeitungsgebühr" zur "Deckung
beraterbezogener Verwaltungskosten" an.
Bedenklich an den
Vertriebsmethoden der Beklagten zu 1) ist ferner, dass die Laienwerber
gezielt das Telefon für die Werbung einsetzen sollen (vgl. Anlage K 38 Bl.
12: "anrufen'; Bl. 18 "Vergewissern Sie sich, ob Sie die Adresse und
Telefonnummer fehlerfrei aufgeschrieben haben'). Da die Telefonwerbung
gegenüber privaten Letztverbrauchern ohne vorheriges Einverständnis nach
ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGH GRUR 1990, 280, 281 - Telefonwerbung
III) unzulässig ist, bedienen sich die Beklagten insoweit einer von
vornherein unstatthaften Werbemethode.
Bedenklich ist des weiteren, dass die
Laienwerber gehalten sind, bei den Kunden telefonisch "nachzufassen" und sie
am ersten, 'dritten, siebten und fünfzehnten Tag nach der Bestellung
anzurufen. Dabei geht es nicht nur darum, sie nach dem Erfolg des Produkts
zu fragen, sondern die Kunden um weitere Namen von potentiellen weiteren
Kunden, "die ebenfalls abnehmen möchten" , und ggf. um die Vermittlung eines
persönlichen Kontakts zu bitten. Wie der Bundesgerichtshof in einem
vergleichbaren Fall (BGH GRUR 1992, 622, 624 = WRP 1992, 646, 648 -
Verdeckte Laienwerbung) festgestellt hat, ist diese Art von Werbung
bedenklich. Denn hier besteht die Gefahr der gezielten Ausspähung des
privaten Bereichs von Personen (hier etwa ihres Wunsches abzunehmen) ohne
deren Wissen und Billigung sowie der Nutzung dieser Ausforschung zur
Erleichterung der Verkaufstätigkeit (vgl. BGH a.a.O. - Verdeckte
Laienwerbung). Da der Laienwerber auf diese Weise zusätzliche Prämien
verdienen kann, besteht für ihn auch ein starker finanzieller Anreiz,
von dieser Werbemethode Gebrauch zu machen.
Die von den Beklagten
angegebenen Mitarbeiter- und Umsatzzahlen zeigen, dass das Vertriebssystem
sich in der Tat lawinenartig ausgebreitet hat. Die Gefahr einer
Marktverstopfung und einer Behinderung der seriös tätigen Mitbewerber ist
sonach naheliegend. Das Vertriebssystem der Beklagten zu 1) verwirklicht
demnach auch die Merkmale der unzulässigen progressiven Kundenwerbung.
3. Neben der Beklagten zu 1) ist auch die Beklagte zu 2) als Mitstörerin
verantwortlich, da sie selbst als Supervisor am Vertrieb der Produkte der
Beklagten zu 1) und an der Anwerbung neuer
Berater beteiligt ist.
4. Die
Wiederholungsgefahr ist zu bejahen, da die Beklagten an ihrem
Vertriebssystem festhalten wollen. Der Unterlassungsanspruch erweist
sich danach als nach § 1 UWG begründet.
Das ausgesprochene Verbot des
Vertriebssysterns betrifft nämlich eine bloße "Verkaufsmodalität" i. S. der
neueren Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH NJW 1994, - Keck und Mithouard),
die angewandten Bestimmungen gelten auch für alle betroffenen
Wirtschaftsteilnehmer und der Absatz inländischer wie ausländischer
Erzeugnisse wird durch sie rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise
berührt.
IV Schadensersatzanspruch
Die Beklagten hätten bei sorgfältiger
Prüfung erkennen oder zumindest damit rechnen müssen, dass ihr
Vertriebssystem wettbewerbswidrig ist, zumal es nicht um die Beurteilung
schwieriger neuer Sachverhalte, sondern um die Anwendung der bekannten
Rechtsprechungsgrundsätze zur Laienwerbung und zur progressiven
Kundenwerbung ging. Das für den Schadensersatzanspruch erforderliche
Verschulden ist sonach zu bejahen.
Da die Parteien unmittelbare Wettbewerber
sind und nach der Lebenserfahrung ein Wettbewerbsverstoß Mitbewerber
schädigt, ist auch von einer Schädigung der Klägerin auszugehen. Dass ein
solcher Schaden jedenfalls wahrscheinlich ist, ergibt sich auch aus den von
der Klägerin vorgelegten und vom Zeugen N. bestätigten sinkenden
Umsatzzahlen seit 1992. Da eine Bezifferung des Schadens bei
Wettbewerbsverstößen erfahrungsgemäß große Schwierigkeiten bereitet, ist es
auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin zwar nicht wörtlich, aber doch
sinngemäß lediglich die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten
begehrt.
V Auskunftsanspruch
Da der Klägerin dem Grunde nach ein
Schadensersatzanspruch zusteht, kann sie gemäß § 242 BGB auch die für die
Berechnung des Schadens erforderliche Auskunft von den Beklagten verlangen.
Der Umfang der Auskunft bestimmt sich dabei nach den Grundsätzen der
Erforderlichkeit und Zumutbarkeit (vgl. BGH GRUR 1965, 313, 314 -
Umsatzauskunft). Beim Schadensersatzanspruch gehören zur Auskunft Angaben
über Art, Zeitpunkt oder Dauer sowie Umfang und Intensität der
Wettbewerbsverstöße (vgl. Großkomm UWG/Köhler Vor § 13 B Rdnr. 422
m.wNachw).
Die Beklagten tragen insoweit lediglich vor, die verlangte
Aufschlüsselung der Umsätze sei nicht erforderlich. Dem ist jedoch nicht
zu folgen. Denn nur durch die Aufschlüsselung läßt sich feststellen, ob
und in welchem Umfang sich die Produkte der Beklagten zu 1) noch
innerhalb des Vertriebssystems (z.B. als unverkaufte Lagerware bei
"Beratern) befinden oder bereits - worauf es bei der Schadensberechnung
maßgeblich ankommt - an Endverbraucher abgesetzt wurde.