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15. Juni 2016
Neonikotinoide als Pflanzenschutzmittel schaden HonigbienenMainzer Wissenschaftler entdecken neuen Mechanismus, der im Zusammenhang mit dem weltweiten Bienensterben steht
Als ein möglicher Auslöser des Bienensterbens stehen Neonikotinoide (hochwirksame Insektizide) in Verdacht. Einen bisher nicht bekannten, schädigenden Mechanismus von Neonikotinoiden haben jetzt Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz und der Goethe-Universität in Frankfurt am Main entschlüsselt. Sie fanden heraus, dass Neonikotinoide in niedrigen, feldrelevanten Konzentrationen den im Futtersaft von Ammenbienen enthaltenen Acetylcholingehalt vermindern. Dieses Signalmolekül ist jedoch für die Larvenaufzucht von Honigbienen wichtig. Höhere Dosen der Neonikotinoide schädigen sogenannte Mikrokanäle in der Futtersaftdrüse, in denen Acetylcholin gebildet wird. Die Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift „Plos One“ veröffentlicht.
„Bereits im Jahr 2013 kam die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit in einem von ihr veröffentlichten Bericht zu dem Schluss, dass Pflanzenschutzmittel aus der Klasse der Neonikotinoide ein Risiko für Bienen darstellen“, sagt Prof. Dr. Ignatz Wessler vom Institut für Pathologie an der Universitätsmedizin Mainz und fügt hinzu: „Die jetzt nachgewiesene unerwünschte Wirkung von Neonikotinoiden ist ein neuer Beleg für den schädigenden Einfluss von Neonikotinoiden auf Bienenvölker und muss bei der anstehenden Neubewertung dieser Substanzklasse bedacht werden.“ Gemeinsam mit Prof. Dr. Bernd Grünewald vom Institut für Bienenkunde an der Goethe-Universität hatten Prof. Dr. Ignatz Wessler und seine Arbeitsgruppe den bislang unbekannten, schädigenden Mechanismus von Neonikotinoiden nachgewiesen. Dieser Mechanismus von Neonikotinoiden beeinträchtigt die Larvenaufzucht von Honigbienen.
Konkret konnten Prof. Wessler und Prof. Grünewald zeigen, dass Neonicotinoide den im Futtersaft von Ammenbienen enthaltenen Acetylcholingehalt reduzieren. Bei Acetylcholin handelt es sich um ein Signalmolekül, das vergleichbar zu den Neonikotinoiden den Nikotinrezeptor stimuliert, der bei Bienen auch in der Futtersaftdrüse vorhanden ist. Acetylcholin wird von den Ammenbienen in Mikrokanälen der Futtersaftdrüse gebildet.
„In Laborversuchen haben wir Acetylcholin künstlich aus dem Futtersaft entfernt und machten die Entdeckung, dass die Bienenlarven früher sterben als in Anwesenheit von Acetylcholin“, so Prof. Wessler. Um die Wirkung von Neonikotinoiden auf den Acetylcholingehalt im Futtersaft genauer zu untersuchen, wurden Bienenvölker in Flugzelten verschiedenen Konzentrationen von Neonikotinoiden ausgesetzt (Clothianidin 1, 10 und 100 µg/kg Zuckerlösung; Thiacloprid 200 und 8800 µg/kg). „Diese Exposition führte zu einer deutlichen Reduktion des Acetylcholingehalts im Futtersaft. So konnten wir feststellen, dass die feldrelevante Dosis des Neonikotinoidwirkstoffs Thiacloprid (200 µg/kg) den Acetylcholingehalt halbiert. Höhere Dosen verminderten den Acetylcholingehalt sogar nachweislich um 75 Prozent und zogen ausgeprägte Schäden an den Mikrokanälen und sekretorischen Zellen der Futtersaftdrüse nach sich“, unterstreicht Prof. Wessler und kommt zu dem Schluss: „Unsere Forschungsergebnisse bestätigen das von Neonikotinoiden ausgehende Risiko für die Brutentwicklung von Honigbienen.“
Die EU war bereits im Dezember 2013 zu einer ähnlichen Einschätzung gekommen und hatte den Einsatz von drei Neonikotinoiden – Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam – vorübergehend eingeschränkt. Zuvor hatten mehrere wissenschaftliche Publikationen gezeigt, dass hohe, aber noch nicht tödlich wirkende Dosen von verschiedenen Neonikotinoiden den Bestand von Wildbienen, Hummeln und Königinnen reduzieren können. Auch wurde über Störungen in der Brutaktivität und Flugorientierung von Honigbienen berichtet. Ein Teil dieser publizierten Ergebnisse wurde jedoch kritisiert – unter anderem wegen zu hoher, nicht feldrelevanter Dosen der eingesetzten Neonikotinoide und artifizieller Laborbedingungen. Ferner wiesen die Befürworter des Einsatzes von Neonikotinoiden auf andere Ursachen des Bienensterbens hin – zum Beispiel die Ausbreitung der Varroamilbe und anderer Pathogene.
Originalpublikation:
* Wessler, I., Gärtner H.-A., Michel-Schmidt R., Brochhausen C., Schmitz L., Anspach L., Grünewald B., Kirkpatrick C.-J., Honeybees Produce Millimolar Concentrations of Non-neuronal Acetylcholine for Breeding: Possible Adverse Effects of Neonicotinoids. PLOSONE,
http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0156886http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0156886 Kontakt
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http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0156886[*quote*]
AbstractThe worldwide use of neonicotinoid pesticides has caused concern on account of their involvement in the decline of bee populations, which are key pollinators in most ecosystems. Here we describe a role of non-neuronal acetylcholine (ACh) for breeding of Apis mellifera carnica and a so far unknown effect of neonicotinoids on non-target insects. Royal jelly or larval food are produced by the hypopharyngeal gland of nursing bees and contain unusually high ACh concentrations (4–8 mM). ACh is extremely well conserved in royal jelly or brood food because of the acidic pH of 4.0. This condition protects ACh from degradation thus ensuring delivery of intact ACh to larvae. Raising the pH to ≥5.5 and applying cholinesterase reduced the content of ACh substantially (by 75–90%) in larval food. When this manipulated brood was tested in artificial larval breeding experiments, the survival rate was higher with food supplemented by 100% with ACh (6 mM) than with food not supplemented with ACh. ACh release from the hypopharyngeal gland and its content in brood food declined by 80%, when honeybee colonies were exposed for 4 weeks to high concentrations of the neonicotinoids clothianidin (100 parts per billion [ppb]) or thiacloprid (8,800 ppb). Under these conditions the secretory cells of the gland were markedly damaged and brood development was severely compromised. Even field-relevant low concentrations of thiacloprid (200 ppb) or clothianidin (1 and 10 ppb) reduced ACh level in the brood food and showed initial adverse effects on brood development. Our findings indicate a hitherto unknown target of neonicotinoids to induce adverse effects on non-neuronal ACh which should be considered when re-assessing the environmental risks of these compounds. To our knowledge this is a new biological mechanism, and we suggest that, in addition to their well documented neurotoxic effects, neonicotinoids may contribute to honeybee colony losses consecutive to a reduction of the ACh content in the brood food.
Figures
Fig 8Fig 1Table 1Fig 2Table 2Fig 3Fig 4Fig 5Fig 6Fig 7Fig 8Fig 1Table 1Fig 2
Citation: Wessler I, Gärtner H-A, Michel-Schmidt R, Brochhausen C, Schmitz L, Anspach L, et al. (2016) Honeybees Produce Millimolar Concentrations of Non-Neuronal Acetylcholine for Breeding: Possible Adverse Effects of Neonicotinoids. PLoS ONE 11(6): e0156886. doi:10.1371/journal.pone.0156886
Editor: Israel Silman, Weizmann Institute of Science, ISRAEL
Received: March 11, 2016; Accepted: May 21, 2016; Published: June 10, 2016
Copyright: © 2016 Wessler et al. This is an open access article distributed under the terms of the Creative
Commons Attribution License, which permits unrestricted use, distribution, and reproduction in any medium, provided the original author and source are credited.
Data Availability: All relevant data are within the paper.
Funding: This work was supported by: 1) Deutsche Forschungsgemeinschaft (grant Ki 601/8-02) to CJK, and 2) German Federal Ministry of Food and Agriculture (FitBee) to BG.
Competing interests: The authors have declared that no competing interests exist.
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