Die nachfolgende Ausgabe des Magazins "med.ium, Mitteilungen der Ärztekammer für Salzburg" ist in zwischen erschienen. Sie kommt hiermit als weiteres Beweisstück zu den Akten.
Laut Impressum:
[*quote*]
Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Redaktion: Ärztekammer für Salzburg, Körperschaft öffentlichen Rechts | 5020 Salzburg | Faberstraße 10.
Namentlich gezeichnete Beiträge sind als persönliche Meinung des Autors aufzufassen.
Produktion und Anzeigenverwaltung: Pressestelle der Ärztekammer für Salzburg | Faberstraße 10 | 5020 Salzburg | Telefon +43 662 871327-137 | presse@aeksbg.at
[*/quote*]
Vor den eigentlichen Text des Artikels auf den Seiten 22ff hat die Ärztekammer diese "Positionsangabe" ihrer selbst gestellt:
"wollen wir
die interne Öffentlichkeit der
Ärzteschaft über die vielfälti-
gen Sichtweisen informieren
und zum Diskurs anregen.Es geht aber nicht um eine "Sichtweise", sondern um ein Verbrechen an Kranken. Das Verbrechen ist ein Verbrechen und keine "Sichtweise"!
Die Ärztekammer beweist wieder einmal, daß sie völlig UNWILLIG ist, ihrer Pflicht zur Aufsicht und Kontrolle zum Schutz der Patienten nachzukommen. Diese Ärztekammer ist ein Skandal. Sie aufzulösen ist das mindeste, und es hat sofort zu erfolgen. Alles andere, jedes weitere Zuwarten, vergrößert das in Österreich begangene Verbrechen durch diese Ärztekammer.
Die URL des PDFs:
http://www.aeksbg.at/documents/10682/22538631/AK_18+medium-9_WEB.pdf[*quote*]
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MEDIZIN IN SALZBURG
med.ium 9/2018
Verantwortung als Grenze der ärztlichen Therapiefreiheit
Zur Komplementär- und Alternativmedizin in der OnkologieRichard Greil
MEDIZIN IN SALZBURG
HINWEIS REDAKTION
In den Publikationen der
Ärztekammer für Salzburg
werden unter anderem
unterschiedliche Bereiche der
Medizin abgedeckt. Die dort
dargestellten Positionen sind
grundsätzlich Meinung des
jeweiligen Autors. Durch diese
Herangehensweise
wollen wir
die interne Öffentlichkeit der
Ärzteschaft über die vielfälti-
gen Sichtweisen informieren
und zum Diskurs anregen.Diese Diskurse dienen auch
zur Positionierung der
Ärztekammer für Salzburg in
fach- und standespolitischen
Themen.
Ein rezent im med.ium der Salzburger Ärz-
tekammer mit dem Titel „Tumorregression
durch Homöopathie“ in der Rubrik „Medizin
in Salzburg“ erschienener Artikel 1 hat den
Präsidenten der Salzburger Ärztekammer
veranlasst, mich um eine Stellungnahme zu
ersuchen, ein Wunsch, dem ich hiermit nach-
komme.
Tatsächlich kann der angesproche-
ne Artikel nicht als eine Position der österrei-
chischen Ärztekammer bzw. ohne
Kommentar stehenbleiben, wenn Krebspati-
enten bei Umsetzung der geäußerten Hypo-
thesen und Meinungen durch Ärzte nicht
Schaden nehmen sollen.In diesem Artikel wird postuliert, dass
„epigenetische Einflüsse insbesondere Psy-
chotraumen oder lang andauernde negative
Beeinflussung seitens nahestehender Men-
schen (das Psychodrama des Patienten) zu
einer Veränderung der Genexpression und im
Sinne einer Verstimmung der Le-
benskraft“ auch zur Entstehung
von Tumoren führen können. Um-
gekehrt sei Homöopathie in der
Lage, diese tumorauslösenden Be-
dingungen zu korrigieren und ei-
nen wie immer gearteten ur-
sprünglichen Zustand herzustellen.
Es wird postuliert, dass mehrere
Fälle mit therapieresistentem Me-
sotheliom, osteolytischen bzw. os-
teoplastischen Veränderungen
nach Mamma- bzw. Magencarci-
nom durch homöopathische Be-
handlung Remissionen, auffällig
lange Überlebenszeiten oder auch
Heilungen erfahren hätten. Dies
wird an Hand eines Patienten zu
untermauern versucht, der nach
Aufklärung durch den Hausarzt
vor einer als notwendig erachteten
Operation geflohen und nach ho-
möopathischer Therapie geheilt
sei. Dabei wird auch darauf verwie-
sen, dass epigenetisch wirksame
Medikamente in der konservativen
Medizin unbekannt seien, wiewohl [Das muß
OBWOHL heißen! Julian]
DNS-hypomethylierende Substan-
zen für die Behandlung von Myelo-
dysplastischen Syndromen und
akuten Leukämien seit 14 Jahren
zugelassen sind und breit ange-
wendet werden und Histon-modi-
fizierende Medikamente in der Be-
handlung des multiplen Myeloms
erfolgreich und zugelassen sind.
Dieses Wissensdefizit wäre einem
Nichtonkologen nicht zum Vor-
wurf zu machen, wenn es nicht mit
zur Begründung der Notwendig-
keit eines homöopathischen tu-
mortherapeutischen Ansatzes ver-
wendet würde.Selbstverständlich steht es Pati-
enten und gleichermaßen Ärzten
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MEDIZIN IN SALZBURG
med.ium 9/2018
„Die Grenze ärztlicher Verantwortung ist allerdings
dann erreicht, wenn die eigene Systemtheorie,
worauf auch immer diese fußt, zur Basis der ärzt-
lichen Beratung und Behandlung von Patienten
gemacht wird, ohne dass die im Ärztegesetz
festgehaltenen Grundbedingungen erfüllt sind.“
im Rahmen der Meinungsfreiheit
offen, wie im Artikel nahege -
legt, Zusammenhänge zwischen
dem Tragen eines Hutes, der
Einstein’schen Relativitätstheorie,
der Quantenphysik, sowie der Be-
deutung von Epigenetik, Tumor-
bildung und Krebstherapie durch
Homöopathie herzustellen. Die
Grenze ärztlicher Verantwortung
ist allerdings dann erreicht, wenn
die eigene Systemtheorie, worauf
auch immer diese fußt, zur Basis
der ärztlichen Beratung und Be-
handlung von Patienten gemacht
wird, ohne dass die im Ärztege-
setz (§2 Absatz 2) festgehaltenen
Grundbedingungen erfüllt sind.
Demgemäß wird die ärztliche Tä-
tigkeit nach medizinisch wissen-
schaftlichen Erkenntnissen und
unter Einhaltung fachspezifischer
Qualitätsstandards ausgeübt. Die
ärztliche Aufklärungspflicht ist an
eben diese Standards gebunden
(§§ 2 und 49 ÄrzteG). Dass dabei
wissenschaftliche Erkenntnis
mehr als Meinung und Hypothese
darstellt, ist unstrittig. Auch Erfah-
rung hat in der Medizin einen ho-
hen Stellenwert, sie wird mehr-
heitlich, wenn sie Realitäten
beschreibt rational nachvollzieh-
bar und in adäquat nach wissen-
schaftlichen Kriterien durchge-
führten Untersuchungen veri -
fizierbar sein und ist damit eben
nicht nur Meinung.
Die Medizin und insbesondere
die Onkologie hat essenzielle
Fortschritte gemacht. Überlebten
in den 70er Jahren in Großbritan-
nien 50±% aller Patienten mit neu
diagnostizierter Krebserkrankung
weniger als 1 Jahr, überleben heute 50±% aller
Patienten länger als 10 Jahre 2 . Seit den
1990er Jahren sinkt die Krebsmortalität um
ca. 1,5±% 3 und zuletzt um ca. 1,7±% 4 pro Jahr
bei Männern und etwas geringer bei Frauen.
Dieser Fortschritt ist den hohen Anstrengun-
gen der naturwissenschaftlichen und klini-
schen Forschung, insbesondere neuen Arz-
neimitteln wie innovativen Chemotherapien,
zielgerichteten Behandlungen der Präzi-
sonsmedizin und der Immuntherapie ge-
schuldet, die für den größten Teil dieser Ver-
besserungen verantwortlich gemacht
werden 5 . Tatsächlich sind 63±% der Unter-
schiede in den Mortalitäten verschiedener
Tumoren den 5±–±15 Jahren zuvor eingeführ-
ten antitumoralen Medikamenten zuzuord-
nen 6 . Nach einer OECD Untersuchung sind
ca. 45±% der Unterschiede im 5 Jahresüberle-
ben in verschiedenen Ländern auf die tota-
len nationalen Gesundheitsausgaben, die ra-
sche Verfügbarkeit von Krebsmedikamenten
und diagnostische Einrichtungen zurückzu-
führen 7 . Signifikante Verbesserungen sind
der zur Verpflichtung gewordenen interdis-
ziplinären Kooperation mit Chirurgie und Ra-
dioonkologie, dem wachsenden Verständnis
der Molekularbiologie und Immunologie und
deren diagnostischer Bedeutung, der Ent-
wicklung von Krebszentren mit hohen Fall-
zahlen, der Verbesserung supportiven The-
rapien, der Früherkennung und der
Koordination des Gesundheitssystems mit-
geschuldet. Es gibt keinerlei Evidenz, dass
Komplementär- und/oder Alternativmedizin
(CAM) an diesem Erfolg beteiligt wären.
Gleichzeitig hat sich die Position des Pati-
enten in der Medizin im Allgemeinen und in
der Onkologie im Speziellen in den letzten
Jahrzehnten essenziell verändert. Krebspati-
enten werden ganzheitlich in ihrem seeli-
schen, partnerschaftlichen, familiären und
beruflichen Umfeld gesehen und es wird ver-
sucht, ihnen systematisch diesbezügliche
Hilfe und Unterstützung anzubieten. War der
Patient historisch in der Medizin
das Objekt der Betrachtung, ist
der Patient ab dem Zeitpunkt der
Entwicklung des Nuremberg
Codes und der daraus resultieren-
den Helsinki Deklaration zum au-
tonomen Subjekt der Arzt-Patien-
ten-Beziehung geworden. Dies ist
auf die kritische historische Refle-
xion und Aufarbeitung der Ver-
gangenheit der Medizin, die sozia-
le und rechtliche Entwicklung und
zu einem wesentlichen Teil auf die
heutige klinische Studienmedizin
zurückzuführen, in der den Patien-
ten in besonders intensiver Weise
die ausschließlichen Rechte über
sich zuerkannt sind und extrem
extensive, von Ethikkommissionen
überprüfte Aufklärungen zusätz-
lich zur individualärztlichen Infor-
mation des Behandlers erfolgen.
Insgesamt kann man feststellen,
dass auf allen Ebenen menschli-
cher und fachlicher Interaktion
heute so viele erfolgreiche An-
strengungen zu Gunsten von
Krebspatienten unternommen
werden, wie nie zuvor. Dies be-
deutet nicht, dass nicht Defizite zu
beklagen und Verbesserungen
möglich wären und dringend not-
wendig sind.
Um eben diese Autonomie des
Patienten und sein Subjektsein
sicherzustellen ist medizinisches
Handeln unter extrem komplexen
Umständen an eine extensive, wis-
senschaftlichen Fakten folgende,
dem Streben nach der Beschrei-
bung wissenschaftlicher Wahrheit
verpflichtete Darstellung von Nut-
zen und Schaden in der Aufklärung
des Patienten gebunden. Dies ist
durchaus eine Herausforderung,
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MEDIZIN IN SALZBURG
med.ium 9/2018
da ein kleiner Teil der Patienten
Entscheidungen völlig alleine tref-
fen möchte, ein kleiner Teil die Ent-
scheidung dem Arzt überlasen
und der größte Teil eine Entschei-
dung mit dem Arzt gemeinsam
treff en möchte 8 . Zudem sind die
Aufklärungsinhalte umfangreich
und komplex und erfolgen in Situ-
ationen existenzieller Bedrohung
mit psychischer Maximalbela-
stung. Eine fehlende Distanz zwi-
schen persönlicher Meinung bzw.
Weltbild und den dargestellten
Voraussetzungen ärztlichen Han-
delns macht, auch wenn noch so
gut gemeint, den Patienten wie-
der zu einem Objekt und raubt
ihm damit die Würde. Dies ge-
schieht auch, wenn man die wi-
derlegte Hypothese einer Krebs-
persönlichkeit der Cancerogenese
zu Grunde legt. Dies ist nicht nur
ohne Nutzen, sondern auch eine
menschliche Bürde die dem Pati-
enten zusätzlich zur Krankheits-
last auferlegt wird.
Jeder 2. Mann und jede 3. Frau
erkranken an Krebs, jeder 4. Mann
und jede 5. Frau wird daran ver-
sterben. Die Zahl der Krebsneuer-
krankungen wird bis zum Jahr
2050 auf jährlich 26 Millionen stei-
gen 9 , die Erkrankung fordert 45±%
aller vorzeitigen Lebenszeitverlus-
te der westlichen Gesellschaft und
unabhängig vom persönlichen
Leid die mit Abstand höchsten
Produktivitätsverluste aller Er-
krankungen 10,±11 . In diesem Kontext
Selbstheilungen oder Heilungen
durch Homöopathie direkt oder
indirekt nahezulegen ist nicht zu
verantworten. Eine rezente Kohor-
tenstudie an 1,901815 Millionen
Krebspatienten im Zeitraum zwischen 2004
und 2013 hat unter Analyse Risiko-gematch-
ter Gruppen einen klaren Zusammenhang
zwischen der Verwendung von Komplement-
ärmedizin und einer auf das Zweifache ge-
steigerten Todesrate ergeben 12 . Tatsächlich
war dies vor allem auf die signifi kant häufi ge-
re Ablehnung konventioneller Tumortherapie
zurückzuführen. So betrugen die Ableh-
nungsraten in der CAM-konsumierenden vs.
nicht CAM-konsumierenden Population für
Chirurgie 7,0 vs. 0,1±%, für Chemotherapie 34,1
vs. 3,2±%, für Radiotherapie 53,0 vs. 2,3±%, und
für antihormonelle Behandlung 33,7 vs. 2,8±%.
Der Unterschied im 5-Jahresüberleben be-
trug 4,4±%. Alle diese Unterschiede waren sta-
tistisch signifi kant. Diese Daten unterstrei-
chen die Notwendigkeit und Verantwortung
für adäquate Aufklärung von Tumor patienten,
insbesondere dann, wenn CAM-Methoden
nachgefragt oder angeboten werden.
Die Homöopathie stellt einen Teil einer ho-
hen Zahl differenter komplementärmedizini-
scher und alternativmedizinischer Verfahren
dar. Zwei kleine in einem Cochrane Review
2010 aufgearbeitete Studien belegen im Ver-
gleich zu Placebo eine mögliche Wirkung für
Homöopathie gegenüber Radiotherapie-in-
duzierter Dermatitis (254 Patienten) und
Chemotherapie-induzierter oraler Mucositis
(32 Patienten) 13 . Seither durchgeführte Stu-
dien zu Lebensqualitätsaspekten wie Hitze-
wallungen bei Therapie-induzierter Meno-
pause oder globaler Lebensqualität verliefen
in Abhängigkeit von der Stringenz der me-
thodischen Qualität unterschiedlich. Mehr-
heitlich wird in den Untersuchungen davon
ausgegangen, dass Homöopathie – wenn sie
nicht zum Verzicht auf konventionelle tu-
morkausale Behandlung führt- im Gegen-
satz zu manchen anderen CAM-Verfahren
keinen direkten Schaden auslöst.
Für eine Wirksamkeit der Homöopathie im
Sinne einer antitumoralen Effektivität mit
einer Verbesserung der Remissi-
onsraten, des Progressionsfreien
oder Gesamtüberlebens gibt es
keine belastbaren Hinweise im
Rahmen wissenschaftlich hoch-
wertig durchgeführter, ausrei-
chend gepowerter, doppelblind
randomisierter klinischer Studien.
Cancer Research UK, eine der
weltweit angesehensten wissen-
schaftlichen Beratungsinstitutio-
nen für Patienten konkludiert „Alt-
hough there have been many
research studies into homeopathy
there is no scientifi c or medical
evidence that it can prevent can-
cer or work as a cancer treat-
ment“ 14 . Analoge Stellungnahmen
zur wissenschaftlichen Evidenz
der Homöopathie gibt es von der
Schwedischen Akademie der Wis-
senschaften 15 , und zahlreichen an-
deren nationalen Wissenschaftli-
chen Akademien.
Im Jahr 2010 hat in Großbritanni-
en das UK Science and Technolo-
gy Committee dem National
Health System (NHS) empfohlen,
die Remunerierung der Homöo-
pathie einzustellen, da keine Hin-
weise bestünden, dass diese Me-
thode jenseits des Placebo-Eff ekts
funktioniere. Im Jahr 2017 hat das
NHS den Allgemeinmedizinern
und anderen Verschreibern emp-
fohlen Homöopathie nicht mehr
anzuwenden, da keine Evidenz für
Wirksamkeit bestünde 14 , keine
neuen Verschreibungen vorzu-
nehmen und bestehende Verord-
nungen abzusetzen.
Das National
Center for Complementary and
Integrative Health in den USA,
eine Institution des NIH hat seine
Position wie folgt festgelegt:Seite 25
MEDIZIN IN SALZBURG
med.ium 9/2018
[FOTO]
Univ. Prof. Dr.
Richard Greil
III. Medizinische
Universitätsklinik
Salzburg
„There is little evidence to support
homeopathy as an eff ective treat-
ment for any specifi c condition“ 16 .In dieser Stellungnahme wird auch
auf Fälle gefährlicher Verunreini-
gungen homöopathischer Pro-
dukte mit Schwermetallen wie Ei-
sen und Quecksilber bei geringen
Verdünnungen verwiesen.
Das National Health and Medical
Research Council Australia der
Australischen Regierung konklu-
diert 17 :
„Homeopathy should not
be used to treat health
conditions that are
chronic, serious, or could
become serious. People
who choose homeopathy
may put their health at
risk if they reject or delay
treatments for which there
is good evidence for safety
and effectiveness.“In Zusammenschau aller Fakten
ist dies eine ausgewogene, verant-
wortungsvolle und Verantwor-
tung einfordernde Stellungnahme
unter der Voraussetzung, dass si-
chere, verunreinigungsfreie Pro-
dukte verwendet werden und Pa-
tienten die jeweils notwendigen
konventionellen Therapien erhalten.
Die Homöopathie ist ein großer
Markt, der bei fehlender Zulas-
sungsnotwendigkeit einerseits die
Nachfrage nicht faktenorientiert
begrenzt und andererseits die
Angebotslegung stimuliert. Die
Marktgröße für Homöopathie wurde welt-
weit im Jahr 2015 auf 3,8 Mrd US$ geschätzt,
in Europa betrugen die Kosten für Homöo-
pathica 2016 knapp 2 Mrd US$ 18 . Bis zum
Jahr 2024 soll dieser Markt weltweit auf 17,4
Mrd US$ anwachsen, wobei die Wachstums-
raten zwischen 2016 und 2024 auf 18 bis 21±%
projiziert werden. Für alle CAM-Methoden
werden im Jahr 2025 gar 197 Mrd US$ aus-
gegeben werden 19 . Zum Vergleich beträgt
der gesamte Markt an zugelassenen Medika-
menten in den USA mit einem 36±% Weltan-
teil derzeit 338 Mrd US$20, der Markt für
Onkologica weltweit (2016) 93,7 Mrd US$ 21 .
In die Kosten von CAM-Verfahren nicht inklu-
diert sind dabei Kosten, die durch Nebenwir-
kungen, sowie allfällige Verzögerung der Be-
handlung mit daraus resultierenden
vermeidbaren Komplikationen entstehen,
sowie die Inanspruchnahmen ärztlicher Zeit
und anderer Ressourcen. Bereits im Jahr
1997 wurde eine Studie in den USA publi-
ziert, die für den Zeitraum 1990 bis 1997
einen höheren Anteil an CAM-Visiten als
hausärztliche Visiten belegte und innerhalb
von 7 Jahren eine Steigerung der CAM
Visiten auf 629 Millionen und damit um
47,3±% ergab 22 .
Diese Entwicklung kann nicht gleichgültig
lassen, insbesondere da sie eine beträchtli-
che ökonomische Belastung von Patienten,
und wo remuneriert, der Sozialversiche-
rungssysteme bewirkt. Eine kanadische Fra-
gebogenanalyse aus dem Jahr 2007 zeigte,
dass für Krebspatienten pro Monat out
of pocket Kosten für CAM im Umfang von
29 US$ (Schwankungsbreite 0±–±5000), für
Vitamine 25 US$ (Schwankungsbreite
0±–±400) und für verordnete Medikamente
von 45 US$ (0±–±1400) anfi elen 23 . Die US
Food and Drug Administration (FDA) hat
am 18. Dezember 2017 einen neuen Risiko-
basierten Durchsetzungsakt für Produkte
beschlossen, die als homöopathisch gekenn-
zeichnet werden 24 . Da auf Grund des
fehlenden Zulassungsverfahrens
Sicherheit und Eff ektivität nicht
geprüft sind, bereiten der FDA die
„rasche Proliferation von unbewie-
senen und ungetesteten Produk-
ten, deren mangelhafte Herstel-
lung oder Beimengungen
undeklarierter Substanzen, unsub-
stantiierte Gesundheitspostulate“
aber auch die relevanten ökono-
mischen Belastungen der Patien-
ten Sorgen 24 . Tatsächlich ist es im
Rahmen der Verwendung von ho-
möopathischen Medikamenten
zum Einsatz bei der Zahnbildung
von Kindern durch Beimengung
von hohen Dosen Belladonna zu
schweren Komplikationen inklusi-
ve Todesfällen gekommen, was
die die FDA in den USA zu einer
Untersuchung und einer Gegen-
empfehlung veranlasst hat 25 . Be-
sonderes Augenmerk soll im Rah-
men des Inforcement-Aktes zur
Homöopathie auf Produkte gelegt
werden, die bei vulnerablen Pati-
enten mit Immunsuppression, bei
Kindern, Schwangeren, sowie älte-
ren Patienten angewendet werden.
Wie erwähnt, gibt es eine kaum
überschaubare Zahl an CAM-Me-
thoden, die von der Akupunktur
über Naturstoffe, Coffeineinläufe
und Darmspülungen, Vitaminsup-
plementierung bis zum Handauf-
legen reichen. Auf alle diese Ver-
fahren einzugehen überschreitet
Anlass und Intention dieser Stel-
lungnahme. Während kleine ran-
domisierte doppelblinde Studien
zur Akupunktur Wirkung bei
Hitze wallungen von Brustkrebspa-
tientinnen nahelegen 26 , sind ande-
re Methoden mit zum Teil erhebli-
chen Nebenwirkungen verbunden.
Seite 26
MEDIZIN IN SALZBURG
med.ium 9/2018
Wir haben selbst unter Kräuter-
therapien die parallel zur tumor-
kausalen Therapie verabfolgt wur-
den mehrere Fälle von Multi-
organversagen und lange nach
Absetzen einer Tumortherapie un-
ter anderen Verfahren auch lang
anhaltendes Knochenmarksversa-
gen gesehen, die die Patienten nur
jeweils knapp überlebt haben. Es
bedarf daher in jedem Einzelfall ei-
ner spezifischen Beratung und In-
formation des Patienten in Ab-
sprache mit den behandelnden
Onkologen. Unter anderem dazu
bietet die III. Medizinische Univer-
sitätsklinik eine eigene Lebens-
stilambulanz an.
Welche Patienten konsumieren
aus welchen Gründen CAM. In
einer Analyse von 26 Studien aus
13 Ländern verwendeten 31±% aller
Krebspatienten CAM-Methoden,
mit einer Schwankungsbreite zwi-
schen 7±% und 64±% 27 . Je nach kul-
turellem Hintergrund schwanken
die Zahlen beträchtlich, sie sind
hoch in den USA und Deutschland
und deutlich niedriger in Großbri-
tannien und Italien 28, 29 . Ebenso be-
stehen signifikante Unterschiede
in den nachgefragten Methoden in
den verschiedenen Ländern. In ei-
ner US Untersuchung aus dem
Jahr 2000 wandten von Krebspa-
tienten mit CAM-Applikationen
13±% eine einzige Methode, 25±%
aber 7 und mehr verschiedenen
Methoden und Verfahren an 30 . In
eben dieser Untersuchung erwar-
teten sich 77±% davon eine Le-
bensqualitätsverbesserung, und
71±% eine Stimulation des Immun-
systems. Welche kritische Rolle in
diesem Kontext die ärztliche Auf-
klärung der Patienten spielt wird durch die
Tatsache untermauert, dass wider die Fak-
tenlage 63±% eine Lebensverlängerung und
38±% eine Heilung durch diese Methoden er-
warteten. Dies unterstreicht nicht nur die An-
forderung an die Arzt/Patientenkommunika-
tion, sondern insbesondere angesichts der
oben geschilderten Assoziation der Inan-
spruchnahme dieser Verfahren mit Verzicht
auf konventionelle Therapien die ärztliche
Verantwortung in der Darstellung von wis-
senschaftlichen Fakten. Die Untersuchung
ist aber auch deshalb aufschlussreich, weil
73±% der Patienten als Grund für diese Be-
handlung den Wunsch nach Hoffnung äu-
ßerten. Je schwerer die Krankheitssituation,
umso höher wird die Inanspruchnahme, wo-
bei metastasierten Patienten und Patienten
mit CUP Syndrom (also einem Tumor bei
dem der Ursprungsort nicht festgestellt wer-
den kann) eine 12±–±14 mal höhere Inanspruch-
nahme dieser Methoden zeigen als Patienten
mit lokalisierter Erkrankung. wirksamen Medikamenten. Aller-
dings lösen auch diese Maßnah-
men nicht per se das existenzielle
Dilemma und die Schwierigkeit
des Versuchs, jenen angemesse-
nen und wahrhaftigen Trost zu
spenden, der mit der Würde des
Patienten vereinbar ist. Eben dies
ist die persönliche Herausforde-
rung an ärztliche Persönlichkeits-
entwicklung und Kunst und auch
Aufgabe für jeden als Patient be-
troffenen Menschen. Beide Rollen
bleiben uns eine lebenslange Auf-
gabe, die in jedem Fall ohne Ga-
rantie auf Gelingen neu versucht
werden muss. Die Bezugnahme
auf selektierte Persönlichkeiten,
Milleniumswechsel oder individu-
elle Weltbilder, die Alles mit Allem
im Kontext sehen kann diese
Grundherausforderung des Arzt-
berufes nicht aufheben.
Die Lebenssituationen von Krebspatienten
stellen massive Herausforderungen an die
gleichermaßen fachlich qualifizierte und em-
pathische Beziehung zwischen Patient und
medizinischen Betreuern dar, unabhängig
davon ob Hausärzte, Onkologen, Psychoon-
kologen, Pflegepersonen etc. einzeln oder
als Team involviert sind. Der mit der Zunah-
me der existentiellen Bedrohung und dem
metaphysischen Schmerz durch mögliches
oder drohendes Sterben verbundene An-
stieg im Wunsch nach Hoffnung lädt dazu
ein, zu unrealistischen Versprechen mit nicht
nachgewiesenen, unwirksamen und teilwei-
se auch schädlichen Methoden zu greifen.
Dies stellt keine Lösung dar. Experimentelle
Therapien gehören in exzellent durchgeführ-
te klinische Studien mit maximalem Auf-
wand zum Schutz der Patienten und realisti-
scher und objektivierter Aufklärung der
Patienten oder in eine sehr gut begründete
off label-Behandlung mit zugelassenen und
Literaturangaben siehe folgende Seite.
Seite 27
MEDIZIN IN SALZBURG
med.ium 9/2018
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[*/quote*]
Das ist natürlich Stuß:
"17
NHMRC statement: statement on homeopathy.
https://www.researchgate.net/profi le/...homeopathy...a_placebo/at... "Erstens ist die URL sofort erkennbar als technisch falsch und zweitens ist researchgate.net ein Lotterladen, bei dem man Mitglied sein muß, um dort etwas suchen zu können. Tut mir leid, aber das ist keine Wissenschaft, sondern Pfusch.
Was die Ärztekammer Salzburg hier abzieht, ist eine Scharade, frei nach Shakespeare: "Viel warme Luft um nichts". Was ist Dietmar Payrhuber geschehen? Nichts. Was wird ihm geschehen? Nichts.
Aber darum geht es doch! Pfuscher gehören ohne Wenn und Aber aus dem Gesundheitssystem entfernt.
Das Gesundheitssystem ist kein Selbstbedienungsladen für Hochstapler.