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Salzburger Fenster
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Skandal um Salzburger „Krebsarzt" in Slowenien
Bereits drei Jahre Berufsverbot in Salzburg, Strafverfahren in Salzburg und MünchenDer Präsident der bayerischen Ärztekammer nannte ihn ein „erwerbsgetriebenes Ungeheuer“. Der deutsche „Krebsarzt“ Nikolaus Klehr behandelt in Salzburg Patienten aus Osteuropa. Nach Todesfällen gehen nun in Slowenien die Wogen hoch.
Ales Pate, Sohn eines verstorbenen Patienten des „Krebsarztes“, legte dem Salzburger Fenster Rechnungen über insgesamt 12.683,51 Euro vor.
Der ehemals in Deutschland sehr prominente und ebenso umstrittene „Krebsarzt“ Dr. Nikolaus Klehr behandelt in seiner Praxis in der Franz-Josef- Straße derzeit vor allem Krebspatienten aus Slowenien. Nach dem Tod mehrerer seiner Patienten beschäftigen sich nun slowenische Medien, die slowenische Ärztekammer, Mediziner, allen voran die Ärzte des Onkologischen Instituts Ljubljana (Laibach) und verbitterte Angehörige in zahlreichen Leserbriefen mit dem „Scharlatan“ aus Salzburg.
Das „Salzburger Fenster“ wurde auf die Vorwürfe gegen den Arzt aus Salzburg aufmerksam gemacht. Wir haben vor Ort in Ljubljana mit Angehörigen und Ärzten gesprochen.
Ales Pate trauert um seinen Vater Peter Pate. Der 69-jährige an Darmkrebs erkrankte Mann war Patient von Dr. Klehr in Salzburg und verstarb kurz darauf.
„Er war wie ein Gott für uns“
Patienten und Angehörige klammern sich „an jeden Funken Hoffnung“und bezahlen enorme Summen an Dr. Klehr – jetzt nennen sie ihn Scharlatan
In Bayern verlor der „Krebsarzt“ Dr. Klehr eine Unterlassungsklage gegen einen Mediziner, der ihm vorgeworfen hatte, durch Vorspiegelung falscher Tatsachen Hoffnung bei todkranken Patienten zu erwecken. Jetzt wiederholen sich diese Vorwürfe in Slowenien.
Peter Pate während seiner Behandlung in der Salzburger Praxis von Dr. Klehr. Die slowenischen Ärzte sahen bei ihm keine Aussicht auf Heilung. Er verstarb kurz nach der Behandlung in Salzburg. / Foto: privat
Nach einer Sendung im staatlichen slowenischen Fernsehen über den „Wunderheiler“ ging der Sohn mit einem Leserbrief an die Tageszeitung „Delo“ vom 21. Juni dieses Jahres an die Öffentlichkeit. Er bezeichnete darin Doktor Klehr als „Scharlatan“, der seinem Vater „Genesung oder eine Verlängerung seines Lebens um mindestens fünf Jahre versprochen hatte“. Eineinhalb Monate nach der Rückkehr aus Salzburg sei der Vater dann verstorben.
Wir haben Ales Pate in Ljubljana getroffen, wo er sämtliche Angaben aus dem Leserbrief bestätigte. Er konnte uns Rechnungen über insgesamt 12.683,51 Euro für die Behandlungen bei Dr. Klehr in Salzburg vorlegen. Zudem musste der Vater 1.819 Euro für Nächtigungen in einem Hotel in Salzburg während der 14-tägigen Behandlung im April und Mai dieses Jahres aufbringen.
Ales Pate überließ uns auch den Befund der Universitätsklinik Ljubljana vom 1. Februar dieses Jahres, unterzeichnet von drei Professoren, aus dem hervorgeht, dass die Ärzte für den schwer krebskranken Mann wegen sich ausbreitender Metastasen keine Heilungschancen mehr sahen. Sie hielten jede weitere Operation für nicht mehr sinnvoll und empfahlen nur mehr eine Symptombehandlung. „Trotzdem“, so Ales Pate „glaubten mein Vater und ich mit blindem Vertrauen an die Versprechungen des Doktor Klehr. Mein Vater nahm die Strapazen der Fahrten nach Salzburg und der täglich sechs bis sieben Stunden dauernden Infusionen auf einem unbequemen Stuhl auf sich. Wir waren geblendet von seinen Aussagen, die Behandlung würde erfolgreich verlaufen.“
„35.000 Euro“
Franc Oblaks Lebensgefährtin starb nach einem Jahr Behandlung bei Doktor Klehr. „Wir haben bis zuletzt an ihn geglaubt.“
Ähnlich klingt der Bericht von Franc Oblak, dessen langjährige Lebensgefährtin Sonja Sorsak im Alter von 49 Jahren im Februar dieses Jahres an Krebs gestorben ist. Auch ihr konnten die slowenischen Ärzte keine Aussichten auf Heilung mehr machen. Trotzdem fuhren Franc Oblak und Sonja Sorsak im Januar 2007 zu Dr. Klehr nach Salzburg. Franc Oblak erinnert sich an die Versprechungen. Der Arzt habe wörtlich gesagt „ich kann Ihnen keine Garantie geben, aber ich bin überzeugt, dass ich Sie heilen kann.“ Franc Oblak: „Das hat uns Hoffnung gemacht.“ Im Laufe des Jahres 2007 sind sie dann auch „einmal für zwei Wochen und mindestens sieben bis acht Mal für eine Woche nach Salzburg zur Behandlung gefahren“. Am Anfang sei tatsächlich eine leichte Verbesserung des Zustandes seiner Lebensgefährtin eingetreten, dann aber eine rapide Verschlechterung bis hin zum Tod im Februar dieses Jahres. Franc Oblak: „Rund 35.000 Euro haben wir im Lauf dieses Jahres für die Behandlung in Salzburg bezahlt. Das war uns nicht zuviel. Doktor Klehr war wie ein Gott für uns. Wir haben bis zuletzt an ihn geglaubt.“
Tote Patienten
„Krebsheiler ist Scharlatan!“ Schlagzeile in der slowenischen Zeitschrift „Jana“ vom 22. Juli 2008.
Die beiden obigen tragischen Fälle stehen nicht allein. Auch andere Angehörige gehen nun mit ähnlichen Schilderungen an die Öffentlichkeit. „Seit rund zwei Jahren hören wir immer häufiger von Krebspatienten, die nach Salzburg zu Doktor Klehr fahren“, berichtet die Krebsspezialistin Doktor Olga Cerar vom Onkologischen Institut Ljubljana. Sie selbst kennt persönlich „zwei Patienten, die zu Doktor Klehr gefahren sind und nach seiner Behandlung gestorben sind“. Nach 35 Jahren als Ärztin versteht Doktor Cerar diese Patienten: „Es gibt bei Krebserkrankungen eine letzte Phase von wenigen Monaten, wo wir offen sagen müssen, dass wir keine Heilungschancen mehr sehen. In dieser schwierigen Phase sind viele Patienten für falsche Versprechungen empfänglich und klammern sich an jeden Strohhalm Hoffnung.“
Doktor Jana Ocvirk, ebenfalls Ärztin am Onkologischen Institut Ljubljana, weiß persönlich „von zehn Patienten, die bei Doktor Klehr in Salzburg waren. Sie sind mit einer einzigen Ausnahme alle tot. Diese Ausnahme ist ein Patient, der misstrauisch geworden ist, und die Behandlung bei Doktor Klehr abgebrochen hat.“
Univ.-Prof. Doktor Matjaz Zwitter, Spezialist für Lungenkrebs und Vorsitzender der Ethik-Kommission des Onkologischen Institutes Ljubljana, ergänzt: „Wir kennen kein einziges Beispiel einer längerfristigen Verbesserung oder Genesung durch diese Behandlungen.“
In Salzburg übt „Krebsarzt“ Doktor Klehr seine Tätigkeit bisher sehr still und ohne öffentliches Aufsehen aus. Sein Betätigungsfeld liegt hier vornehmlich bei Patienten aus Osteuropa. In der Anfangszeit kamen viele polnische Patienten zur Behandlung nach Salzburg, jetzt kommen sie zahlreich aus Slowenien.
In Deutschland erregte er allerdings in den 1990er Jahren enormes öffentliches Aufsehen. Er wurde in der Regenbogenpresse als „Herr der Killerzellen“ gefeiert. Dafür sorgten insbesondere Yvonne und Klausjürgen Wussow. Mit dem bekannten Schauspieler trat er mehrmals gemeinsam in Talkshows auf.
„Ungeheuer“ und „infame Strategie“
Doktor Olga Cerar vom Onkologischen Institut Ljubljana kennt verstorbene Patienten von Dr. Klehr. / Fotos (3): Breidenbach
Kritisch beleuchtete erstmals das Magazin „Stern“ am 18. April 1996 das Wirken des angeblichen Wunderheilers.
Das ARD-Magazin „Panorama“ widmete am 10. Dezember 1998 dem „dubiosen Mediziner“ eine eigene Sendung. Dort wurde unter anderem über den Fall einer an Leukämie erkrankten Frau berichtet, die nach einer 17.000 Mark teuren Behandlung verstorben war. Der damalige Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Dr. Hans Hege, nannte Klehr in dieser Sendung ein „erwerbsgetriebenes Ungeheuer“ und einen „Scharlatan, der mit der Hoffnung von Krebskranken Geld macht“. In der Sendung wurde auch die Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters von Klehr genannt, wonach dieser mit seinen Behandlungen bis 1996 bereits rund 100 Millionen Mark verdient hätte.
Drastisch urteilte bereits 1994 der damalige Gesundheitsreferent der Stadt München, Dr. Hermann Schulte-Sasse. Herr Klehr verspreche Patienten einen Behandlungserfolg, den er in keiner Weise einhalten könne: „Diese Vorspiegelung falscher Tatsachen erweckt Hoffnung bei todkranken Patienten, und dies halte ich für eine besonders unärztliche, für eine besonders infame Strategie.“ Eine Klage Klehrs auf Unterlassung dieser Aussage wurde vom Landgericht München am 26. Januar 1996 abgewiesen.
Drei laufende Verfahren in Bayern
Gegenwärtig sind in Bayern gegen Dr. Klehr, der nach wie vor auch in München tätig ist, drei Verfahren anhängig. Bei der Regierung von Oberbayern läuft laut Regierungsdirektor Heinrich Schuster ein „pharmazierechtliches Verwaltungsstrafverfahren“. Bei der Staatsanwaltschaft München laufen laut Oberstaatsanwalt Anton Winkler zwei Verfahren. Eines wegen „Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz“. Dabei gehe es darum, „dass dem Doktor Klehr bereits vor Jahren die Erlaubnis zur Herstellung so genannter Blut-Zytokine entzogen wurde, und der Verdacht besteht, dass er dies trotzdem tut“. Das zweite Verfahren betrifft einen „Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz“. Dabei geht es laut Oberstaatsanwalt Winkler darum, „dass Herr Klehr auf seiner Internet-Seite Versprechungen bezüglich Krebsbehandlungen macht, aber solche Versprechungen darf man nicht abgeben“.
Berufsverbot und Strafverfahren in Salzburg
Während die Salzburger Ärztekammer auf Anfragen des Salzburger Fensters zu diesem Fall nur sehr ausweichend antwortet, erhielten wir in Ljubljana Kenntnis davon, dass es bereits einen aufschlussreichen Briefwechsel zwischen der slowenischen und der Salzburger Ärztekammer gibt. Ein Schreiben der Salzburger Ärztekammer vom 18. April dieses Jahres nach Slowenien liegt uns vor. Es heißt darin unter anderem: „Im Jahr 2003 verdächtigte ihn die Disziplinarkommission von Oberösterreich und Salzburg des ärztlichen Fehlverhaltens und verhängte eine vorläufige Suspendierung. Diese Maßnahme wurde am 2. Juni 2006 zurückgezogen und Dr. Klehr ist seither wieder befugt seinen Beruf als Mediziner auszuüben … Wegen diverser Fakten ist ein Strafverfahren am Landesgericht Salzburg mit der Aktenzahl Ref 46 Ur212/02b anhängig.“ Die damalige Suspendierung Dr. Klehrs steht im Zusammenhang mit dem Tod einer von ihm behandelten polnischen Patientin in Salzburg.
Beim Landesgericht Salzburg bestätigt Staatsanwältin Barbara Feichtinger dieses seit dem Jahr 2002 anhängige Verfahren. Ermittelt wird wegen „des Verdachts des Betrugs“. Der Akt würde derzeit beim Oberlandesgericht Linz liegen. Das Gericht sei „in den Fall tief eingestiegen, wofür schon die Bestellung von vier Gutachtern spricht“.
„Keine wissenschaftliche Studie bekannt“
Salzburgs Onkologie-Primar hält keinerlei Kontakt
Primar Univ.-Professor Richard Greil
Primar Univ.-Professor Richard Greil, Vorstand der Onkologischen Abteilung der Salzburger Landeskrankenanstalten, kennt keine wissenschaftliche Studie von Dr. Klehr.
SF: Herr Professor Greil, haben Sie fachlichen Kontakt mit Doktor Klehr?
Prof. Greil: Ich habe keinerlei Kontakt mit Herrn Dr. Klehr.
SF: Warum nicht?
Prof. Greil: Ein sinnvoller Kontakt setzt den Respekt der wissenschaftlichen Wertigkeit der verwendeter Methoden, die Bereitschaft zur Offenlegung von Behandlungsergebnissen, die Anerkennung der Grundregeln bei der Entwicklung medizinischen Fortschrittes voraus. Zentral ist die besondere Würdigung der existenziellen Bedrohungssituation von Tumorpatienten in ihrer seelischen, gesundheitlich-körperlichen, sozialen und finanziellen Integrität und der ärztliche Auftrag, den Patienten in allen diesen Belangen vor Schaden zu schützen.
SF: Ist Ihnen eine klinische Studie über die Behandlungsmethoden des Doktor Klehr bekannt, die nach den anerkannten Regeln medizinischer Wissenschaft wie Wiederholbarkeit, Nachvollziehbarkeit, öffentliche Zugänglichkeit, behördliche Genehmigung und Genehmigung durch die Ethik-Kommission erstellt wurde?
Prof. Greil: Es ist mir keinerlei derartige Studie bekannt. Das internationale Verzeichnis der von anonymen und unabhängigen Gutachtern auf wissenschaftliche Wertigkeit geprüften Publikationen (Pubmed)weist keine klinische Studie unter der Federführung von Dr. Klehr aus, die über den Erfolg bzw. die Ergebnisse der von ihm propagierten Methoden an repräsentativen Patientengruppen berichten würde. Es sind mir auch keine Darstellungen dieser „Therapien“ an international angesehenen Fachkongressen, die quasi die Börse der Innovation in der Medizin darstellen, bekannt.
Interview: Heinrich Breidenbach
„Die Patienten sind nicht an Krebs gestorben“
Angehörige und andere Ärzte schuld
Dr. Nikolaus Klehr / Foto: Internet
Wir erreichten den „Krebsarzt“ Nikolaus Klehr in seinem Urlaub am Telefon. Er weist alle Vorwürfe zurück.
SF: Herr Doktor Klehr, es gibt in Slowenien schwere Vorwürfe von Angehörigen verstorbener Patienten und von Medizinern gegen Sie. Sie würden falsche Hoffnungen bei todgeweihten Patienten wecken und für teures Geld in Salzburg letztlich unwirksame Behandlungen durchführen.
Dr. Klehr: Die Vorwürfe sind unbegründet. Ich erwecke keine falschen Hoffnungen, die genannten Zahlen sind falsch. Meine Patienten werden gut aufgeklärt. Die Zeitschrift „Jana“, in der diese falschen Darstellungen publiziert wurden, muss eine Richtigstellung drucken.
SF: In der Zeitschrift werden auch sehr kritische Stellungnahmen hochrangiger slowenischer Mediziner ihnen gegenüber zitiert.
Dr. Klehr: Es ist mir unverständlich, wie diese Kollegen sich auf ein solches Schmuddelniveau herablassen können.
SF: Aber es sind doch Patienten kurz nach der Behandlung bei
Ihnen gestorben?
Dr. Klehr: Die beiden öffentlich genannten Patienten sind sicher nicht an Krebs gestorben. Die Therapie eines slowenischen Arztes und die Nachlässigkeit von Angehörigen haben zum Tod geführt. Mehr kann ich dazu aus Gründen der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht nicht sagen.
„Nicht publiziert“
SF: Können Sie mir eine anerkannte wissenschaftliche Publikation nennen, welche die Erfolge Ihrer Behandlungen belegt?
Dr. Klehr: Vom Berliner Universitätsklinikum Charitè wurden unsere Erfolge bestätigt.
SF: Können Sie mir die Namen der Autoren dieser Studie nennen, und wo sie veröffentlicht wurde?
Dr. Klehr: Es handelt sich um eine gutachterliche Stellungnahme in unserem Auftrag, verfasst von einer Arbeitsgruppe. Wir haben sie nicht publiziert.
Interview: Heinrich Breidenbach
Heinrich Breidenbach
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