§ 65. Mangelnde Prinzipientreue.
Mit der Entwicklung der wissenschaftlichen Medizin entstanden immer mehr valide
Argumente gegen die Homöopathie. Die Homöopathen sahen sich in einen ständigen
Verteidigungskrieg gezwungen, mußten ständig neue Regeln und angebliche
Gesetzmäßigkeiten erfinden, um dem Todesstoß durch die Wissenschaft zu
entgehen. Eines dieser Dogmen war die Lehre von der feinstofflichen
Wirkung der Homöopathie, so feinstofflich, daß sie wissenschaftlich
prinzipiell nicht beweisbar sei.
Dann kam Benveniste. In Nature veröffentlichte er einen Artikel über
die Degranulation von basophilen Leukozyten, der nahelegte, daß ein
Wirkstoffeffekt auch noch bei D200 auftritt. Sofort brach allgemeiner
Jubel aus - endlich war die Wirkungsweise der Homöopathie
wissenschaftlich bewiesen, von Feinstofflichkeit und prinzipieller
Nichtbeweisbarkeit war plötzlich keine Rede mehr.
Dann kam RANDI zu Benveniste, von Nature geschickt, und deckte in
wenigen Tagen auf, daß Benveniste seine in fünf Jahren gesammelten
Ergebnisse nicht reproduzieren konnte (lesenswerter Aufsatz von RANDI
in KÖBBERLING).
Aber jetzt, einige Jahre später, werden wieder die Ergebnisse von
Benveniste zitiert, die Aufklärung durch RANDI wird verschwiegen - das
ist die Wahrheitsliebe der Pseudologen.
§ 66. Das Leugnen der Beweispflicht.
Wie mit der Wahrheitsliebe ist es auch mit der Beweispflicht, aus der Naturbeschreibung
läßt sie sich nicht ableiten, sie ist eine gesamtgesellschaftliche Forderung:
Die Beweispflicht liegt beim Behaupter.
Die Pseudologen beklagen heftig das Desinteresse der Wissenschaft an ihren
‘Entdeckungen’, selbst wollen sie sich aber um die Aufdeckung von
Wirkmechanismen nicht kümmern. Lieber steigt man sofort in den Vertrieb ein.
Was soll auch Forschung, die nur Geld kostet, nur Zeitverluste einbringt, die
am Geldverdienen hindern.
Daß über die biologischen Mittel oft zu wenig kontrollierbare Daten
vorliegen, ist auch die Schuld derjenigen, die saubere Erfahrungen nicht
zur Kenntnis nehmen, geschweige denn sie einer sauberen Prüfung
unterziehen schreibt der Heidelberger Anatom Landsberger im Grußwort zum
6. Arzt-Patienten-Kongreß über Tumornachbehandlung (1990) und will so
wie üblich die Beweislast der Schulmedizin unterschieben. Was sind wohl
saubere Erfahrungen? Die Untersuchung von NAGEL und SCHMÄHL (1984) zeigt
jedenfalls, daß als saubere Erfahrungen immer die gleichen Fehler
gemacht werden: Einzelfallbeschreibung, fehlende oder unzureichende
Dokumenation, Fehlen prospektiver doppelblinder Studien u. s. f. Ein
weiteres kommt hinzu: Kaum macht die Wissenschaft einmal ernst mit der
Nachprüfung, wird diese von der Pseudomedizin regelrecht boykottiert und
behindert.
Müssen die Pseudologen wirklich einmal beweisen, z. B. vor Gericht,
dann beweisen sie eh lieber und auch erfolgreicher mit Zeugenaussagen
die Wirksamkeit der Methode. Steht man aber vor Gericht, weil man wegen
Nebenwirkungen verklagt wurde, erklärt man im Brustton der Überzeugung,
auch der überdurchschnittlich unterbegabte Laie müsse sofort erkennen,
daß die ‘Methode’ völlig wirkungslos, also auch nebenwirkungsfrei sei
(WIMMER in PROKOP/WIMMER).
§ 67. Die Verschwörungstheorie.
Normalerweise meiden die Pseudologen die diskursive oder argumentative
Auseinandersetzung mit der Wissenschaft. Ist sie doch einmal unvermeidlich,
dann präsentieren sie als letzten Trumpf die Verschwörungstheorie. Die
etablierte Medizin bilde eine einzige Verschwörung gegen die Alternativen.
Die Medizin bekämpfe die Alternativen nur deshalb, weil sie sich das Geschäft mit
den Krebskranken nicht wegnehmen lassen wolle. Da werde in Kauf genommen,
daß den Kranken die wirksame Alternativtherapie vorenthalten werde. Der
Heidelberger Anatom Landsberger treibt es dann bis zum Rufmord, wenn er
behauptet, daß bei der Krebserkrankung von Angehörigen nachts die
Kliniker an seiner Haustür um die Mistelspritze bettelten: Sie wissen
ja, daß wir da nichts haben! (Biol. Krebsabwehr Nr. 25, Februar 1990).
Leute wie Issels werden dann zu Märtyrern. Nach unserer Darstellung im
2. Teil überlassen wir das Urteil dem Leser.
§ 68. Die Vernebelung der Fakten und Begriffe.
Die Homöopathie in Beweisnot erfindet die Feinstofflichkeit, die halt von der
Physik nicht erfaßt werden könne. Dabei kann die Physik sogar stofflose Dinge
erfassen; das Photon ist so feinstofflich, daß es gar keinen Stoff mehr
enthält und kann doch gemessen werden. Popp zieht die Biophotonen aus
dem Hut wie der Zauberer das Kaninchen, die Wärmestrahlung als deren
Widerlegung findet dann die Putzfrau nach der Vorstellung unter dem
sprichwörtlichen Tisch, unter den Popp sie fallen ließ. In der ganzen
neueren Pseudomedizin wimmelt es nur so von Begriffen aus der modernen
Physik und sogar Quantenphysik. Ubiquitär ist die Verwendung des
Energiebegriffs, der selbstverständlich nie in seiner physikalischen
Bedeutung auftritt, aber Wissenschaftlichkeit vortäuschen soll. Die
Quantentheorie wird ja im gebildeten Bürgertum als substanzgewordene
Wissenschaftlichkeit angesehen.
Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen vor der letzten
Jahrhundertwende erfuhr Strahlung durch die Medien eine weite
Verbreitung, nicht als physikalischer Begriff, sondern als magisches
Wort; eine neue Krankheit entstand, die Strahlenfühligkeit, die Züge
einer Massenhysterie annahm, die Strahlenangst. Als nach der
Jahrhundertwende die neue Physik entstand, wurden deren Begriffe ganz
selbstverständlich in die Pseudowissenschaft übernommen, auch wenn sie
nichts anderes als bloße Garnierung waren, die HEISENBERGsche
Unschärferelation sollte plötzlich als Erklärung der Homöopathie dienen:
Aufgrund der Unschärferelation nimmt mit der Potenzierung zwar die
Lokalisierbarkeit der Arzneisubstanz ab, dafür wachsen aber ihre Impuls-
und Energieschärfe ( Popp FA: Deutungsversuche homöopathischer Effekte
aus moderner physikalischer Sicht. Allg homöop Ztg 223, 1978).
Als in den 70ern die Kybernetik modern wurde, tauchte deren Vokabular
sofort in der Pseudomedizin auf. Wobei man sich schließlich fragt,
weshalb denn biologisch-natürliche Verfahren des Vokabulars einer
nackt-materialistischen Physik bedürfen.
§ 69. Die Methode der falschen Etikettierung und das Segeln unter falscher Flagge.
Wenn von Alternativmethoden die Rede ist, hört man auch immer biologisch, natürlich,
ganzheitlich. Aber: ein nicht unbeträchtlicher Teil besteht aus der Behandlung mittels
Apparaten. Aber auch diese Therapien werden biologisch, natürlich, ganzheitlich genannt.
Wieso?
HAHNEMANN nennt Verdünnen nicht Verdünnen, sondern Potenzieren. Bach
bezeichnete seine Nosoden als ‘orale Vakzinen’, also Impfstoffe. Doch
seine Nosoden sind keine Impfstoffe, haben damit nichts zu tun. Aber
damals wurden die ersten echten Impfstoffe entwickelt, Impfstoffe waren
moderne Medizin.
§ 68. Das Heilungsversprechen.
Allen pseudomedizinischen Verfahren gemeinsam ist das völlig unkritische
Heilungsversprechen, das fast religiöse Züge annimmt, zum Heilsversprechen
wird: Glaube mir, und ich heile Dich, und unausgesprochen bleibt wenn Du zahlst,
denn das kostet, sogar viel Geld, aber Deine Gesundheit muß Dir das schließlich wert
sein. Jedem wird dieses Versprechen gegeben, auch dem moriturus, in dem
der Krebs wuchert, der nach dem Strohhalm greift und auch teuer dafür
bezahlt. Nein, sagen die Pseudologen, das ist kein Strohhalm, wir heilen
doch gerade die austherapierten Fälle, die die Schulmedizin nicht heilen
kann! Nimmt dann die Sache ihren Lauf, wie er nach den
Wahrscheinlichkeiten zu erwarten ist, dann wird dem Kranken noch die
Schuld dafür in die Schuhe geschoben, denn sein Glaube war eben nicht
stark genug, der unverbrüchliche Glaube ist nunmal Voraussetzung dieser
besonderen Therapie. Oder schlicht Man hat mich zu spät gerufen.
Jedenfalls, das Versagen der Methode liegt nie an der Methode.
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[*/QUOTE*]
Dieser Text wurde geschrieben vor 11 Jahren. Er hat nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Im Gegenteil. die heutigen Aktivitäten Kranke parasitierender "Kreise" und "Vereine" folgen genau den Schemata, die Peter Zeller beschrieb.