Arte: "Und sie dreht sich doch"
Regie: Franz Fitzke



Bescheunigung der Erdrotation durch Sonnenfinsternisse



Filmausschnitt:

Sprecher: "Prof. Meyl geht davon aus, dass im Erdkern atomare Zerfallsprozesse stattfinden, an denen Neutrinos maßgeblich beteiligt sind. Nach seiner These geben die Neutrinos Bremsenergie ab und materialisieren zu Masseteilchen."

"Besonders intensiv soll die Wirkung der Neutrinos während einer Sonnenfinsternis sein. Der vor der Sonne stehende Mond wirke wie ein Brennglas und bündele die Neutrinos. Daraus folge eine Beeinflussung der Erdrotation."

Es wird das Foucault'sche Pendel in der Sternwarte Kremsmünster gezeigt. Im Text wird erklärt:

Sprecher: "Bei der Sonnenfinsternis 1999 wurde eine solche Gangabweichung dokumentiert. In der Sternwarte Kremsmünster lief ein 53 m langes Pendel. Jetzt wird klar, warum der eingangs gezeigte Pendel-Versuch hier von Bedeutung ist." (Anmerkung: Diese Szene wird bereits am Anfang des Film als Prolog gezeigt und an dieser Stelle wiederholt)

"Normalerweise dreht sich die Schwingungsebene, verursacht durch die Erddrehung langsam und gleichmäßig unter dem Pendel hindurch. Doch 6 Stunden nach Beginn der Sonnenfinsternis war das nun ausschwingende Pendel um 10 Grad aus dem erwarteten Bereich hinausgelaufen."

"Eine mögliche Erklärung dafür ist die Beschleunigung der Erdrotation. Ein Sensationelles Ergebnis, doch es wurde bald darauf zurückgezogen. Begründung: das Pendel in Kremsmünster laufe ungenau. Inzwischen ist eine neue Generation von Präzisionspendeln im Einsatz. Sie heißen Parakonische Pendel und können, da sie auf einer Kugel gelagert sind, in alle Richtungen schwingen. Lasersensoren messen den Schwingungswinkel. Jüngste Messungen des Instituts für Gravitationsforschung fanden eine abrupte Änderung dieses Schwingungswinkels während der letzten Sonnenfinsternis im September 2006. Die Ursache ist unter Wissenschaftlern umstritten."

"Unabhängig von den Pendelexperimenten  fügt Prof. Meyl ein weiteres Indiz für eine Beschleunigung der Erdrotation während der Sonnenfinsternis 1999 hinzu.  Er erinnert an die Schaltsekunden, die eingefügt werden, um die Weltzeit an die langsamere Erdrotation anzugleichen. Seit 1997 kam fast jedes Jahr eine Schaltsekunde hinzu. Auffällig ist aber die Zeit zwischen 1999 und 2005 in der keine Schaltsekunde nötig war, weil sich die Erde deutlich schneller gedreht hat.

Prof. Meyl: Es besteht die Möglichkeit, dass die Beschleunigung durch die Sonnenfinsternis 1999 bewirkt worden ist.



Kritik:

Bemerkenswert, wie hier trotz Fehlens jeglicher Anhaltspunkte für den Einfluss einer Sonnenfinsternis auf die Erdrotation mit einer Serie von Bildern versucht wird, diese unsinnige Behautpung zu beweisen.
  • Neutrinos sind Teilchen, die mit anderen Teilchen nur sehr schwach wechselwirken. Selbst eine Bleiwand mit einer Dicke von einem Lichtjahr, würde nur ca. 50% der Sonnenneutrinos abfangen. Die Erde ist für Neutrinos also quasi vollkommen transparent. Neutrinos können nicht, wie von Prof. Meyl behauptet, im Erdkern zu Masseteilchen "materialisieren". Sie können weder die Erde wachsen lassen noch einen Einfluss auf die Erdrotation ausüben. Siehe z.B. hier .
  • Selbst, wenn man diese Fakten ignorieren würde, gäbe es keinen Hinweis darauf, dass der Mond auf die Neutrinos eine Brennglaswirkung ausübt.
  • Betrachtet man den Abstand Erde-Mond im korrekten Größenverhältnis, so wird auch der Laie erkennen, dass eine solche Brennglaswirkung nicht vorstellbar ist. Woher will Prof. Meyl denn wissen, dass der Brennpunkt ausgerechnet in der Erde liegt.
Erde-Mond

Korrektes Größen- und Abstandsverhältnis zwischen Erde und Mond, nach Wikipedia

  • Das Pendel in Kremsmünster geht am Ende der Sonnenfinsternis etwa um eine Stunde vor. Hat Prof. Meyl etwa vermutet, dass seit der Sonnenfinsternis 1999, die Tage eine Stunde kürzer sind?
  • Warum verschweigt Prof. Meyl, dass auch andere Institutionen während der Sonnenfinsternis 1999 den gleichen Versuch durchgeführt haben und keine signifikanten Abweichungen beobachtet haben? Siehe z.B. im Technischen Museum Wien. Hier eine Liste der Versuchsteilnehmer. 
  • Die Frage, ob die Erde nach einer Sonnenfinsternis schneller läuft als vorher, kann mit einfachen Mitteln viel genauer geklärt werden, z.B. müssten nach einer Beschleunigung der Erdrotation alle GPS-System falsche Orte anzeigen. Warum wurde, um einen angeblichen Zusammenhang zu belegen, ein untaugliches und außerdem noch missglücktes Experiment herangezogen , das auch dann nicht geieignet wäre wenn es optimal durchgeführt worden wäre? Offensichtlich, um den Zuschauer  durch Bilder von einem Zusammenhang zu überzeugen der real nicht existiert.
  • Prof. Meyl will mit einer Graphik belegen, dass die Sonnenfinsternis 1999 die Erdrotation beschleugt hat. Er bleibt die Erklärung schuldig, warum andere Sonnenfinsternisse, z.B. die folgenden,

    26.02.1979, Canada
    26.02.1980, Kenia
    06.06.1983, Java
    11.07.1991, Mexiko
    10.05.1994, Texas
    03.11.1994, Chile
    24.10.1995, Indien
    26.2.1998, Aruba

    die alle in den Zeitraum fallen, der auf der Graphik aufgetragen ist, keine Beschleunigung der Erdrotation bewirkt haben.
  • Im Zusammenhang mit dem von ihm vermutetem Wachstum der Erde hatte Prof. Meyl den Zuschauern erklärt, die Erdrotation verlangsame sich jedes Jahr um 0,7 Sekunden. Nun erfahren wir, dass Sonnenfinsternisse die Erdrotation beschleunigen sollen. Wie diese widersprüchlichen Behauptungen  zusammenpassen, verrrät der Professor seinen Zuschauern nicht.
Dieser Pendelversuch ist ein  typisches Beispiel dafür, wie in dem Fernsehbeitrag der Zuschauer irregeführt wird.

Die Fakten:
Wie der Leiter der Sternwarte, Dr. Kraml mir schrieb, war das Pendel kurzfristig erneuert worden und eine Nachprüfung habe ergeben, dass die Pendelschwingungen auch ohne Sonnenfinsternis Abweichungen von den erwarteten Werten zeigten. Der Versuch ist also aus technischen Gründen misslungen. Dr. Kraml betont, dass er das dem Fernsehteam auch klar gemacht habe. Dieser Versuch war wertlos und hätte in dem Film überhaupt nicht gezeigt werden dürfen. Den Autro des Beitrags stört das nicht. Er schreibt: "Bei der Sonnenfinsternis 1999 wurde eine solche Gangabweichung dokumentiert.

Die Inszenierung durch Arte:
Das Ziel dieser Inszenierung war offenbar die Manipulation des Zuschauers. Er sollte glauben, dass der Pendelversuch doch eine Beschleunigung der Erdrotation nachgewiesen habe. Die angebliche "Abweichung" passt so schön in die  esoterische Inszenierung, dass sie im Film gleich zweimal gezeigt wurde. Bereits am Anfang des Films wurde der Zuschauer durch die Pendel-Szenen darauf vorbereitet, dass es um etwas ganz Wichtiges gehe. Bei der späteren Wiederholung der Szenen wurde betont, dass es sich um ein "sensationelles Ergebnis" handele. Die anschließend erwähnte Rücknahme des Ergebnisses durch die Sternwarte konnte nicht gegen die "Macht der Bilder" ankommen, die den Zuschauer in eine ganz besondere Richtung lenken sollte.

Dieser Effekt wurde weiter verstärkt durch die anschließende Szene in der ein parakonisches Pendel gezeigt wurde das ebenfalls eine Abweichung während der Sonnenfinsternis gezeigt haben soll. Der Hinweis, die Erklärung dafür sei unter Wissenschaftlern umstritten, sollte offenbar den Eindruck erwecken, dass einige dieser Wissenschaftler, ebenso wie Meyl, diese Abweichung als ein Anzeichen für die Beschleunigung der Erdrotation werteten. Das ist aber nicht der Fall. Kein Wissenschaftler, außer Meyl, nimmt an, dass die Sonnenfinsternis die Erdrotation beschleunigt habe, zumal sich ja inzwischen durch Vergleich der Sonnenzeit mit der UTC-Zeit eindeutig gezeigt hat, dass keine Bescheunigung der Erdrotation durch die Sonnenfinsternis aufgetreten ist.

Dieses nichtssagende Experiment wurde von dem Sprecher trotzdem zu einem Indiz für eine Beschleunigung der Erderotation aufgewertet, denn er fährt fort: "Unabhängig von den Pendelexperimenten  fügt Prof. Meyl ein weiteres Indiz für eine Beschleunigung der Erdrotation während der Sonnenfinsternis 1999 hinzu. Er erinnert an die Schaltsekunde...."

Typisch ist auch die in dem Film mehrfach verwendete Formulierung "Eine mögliche Erklärung dafür ist ....".  Diese Erklärung ist aber eben nicht möglich, da alle vernünftigen Argumente und Messwerte dagegen sprechen. Diese mögliche Erklärung wird durch die Inszenierung zur Gewissheit. Für den Zuschauer ergibt sich der Eindruck dass sie die einzig richtige sei, weil alle Beobachtungen diese Erklärung zu stützen scheinen.

In anderen Filmszenen wird gezeigt, wie Prof. Meyl die Voraussage macht, dass wenige Tage nach der Sonnenfinsternis 2006 im Mittelmeerraum Erdbeben zu erwarten seien, weil die vom Mond auf die Erde fokusierten Neutrinos den Erdkern verlagern und dadurch Erdebeben auslösen würden.

Der Geophysiker Prof. Wielandt schrieb auf meine Anfrage, ob möglicherweise andere Gründe während einer Sonnenfinsternis Erbeben auslösen könnten:

Prof. Wielandt: "Dass die Gezeiten der festen Erde Erdbeben auslösen könnten, wurde schon lange vermutet und behauptet, wird aber nicht beobachtet. Möglich wäre es durchaus. Wenn das Gestein bei einer bestimmten Spannung plötzlich brechen
würde, müssten Erdbeben immer dann eintreten, wenn die Gezeitenspannung die
tektonisch sich langsam aufbauende Spannung verstärkt. Aber offenbar
spielen da noch andere Vorgänge, vielleicht Diffusionsvorgänge, eine Rolle,
die langsam sind und dieses einfache Bild verwischen.

Die Gezeitenspannungen sind allerdings bei einer Sonnenfinsternis nicht
nennenswert größer als wenn der Neumond um ein paar Grad an der Sonne vorbei-
zieht. Ein etwaiger Effekt müsste sich eher als eine schwache, nur über lange
Beobachtungszeiträume nachweisbare Korrelation der lokalen Seismizität mit den
Erdgezeiten äußern. Behauptet wurde das, wie gesagt, auch schon, aber mit der
statistischen Signifikanz sieht es schlecht aus, und sorgfältige Unter-
suchungen sind zu einem negativen Resultat gekommen."









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