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Infektionskrankeiten aus historischer SichtEin häufig vorgebrachtes Argument gegen Impfungen ist, dass die Kinderkrankheiten harmlos seien und schon immer waren. Diese Ansicht beruht auf einer verzerrten Wahrnehmung der Geschichte. Tatsache ist, dass diese Krankheiten sehr häufig waren, nahezu jeder bekam eine oder mehrere davon. Tatsache ist auch, dass es weder Möglichkeiten gab, die Krankheit zu verhindern (Impfungen) noch wirksame Methoden, sie zu bekämpfen (Medikamente, Therapien). Bis heute gibt es keine wirksame Therapie bei den Kinderkrankheiten.
Auch heute kann man nicht wesentlich mehr tun, als mittels der Intensivmedizin zu versuchen, die Lebensfunktionen aufrecht zu halten, bis die Krankheit durchgestanden ist.
Und Tatsache ist ebenfalls, dass Infektionskrankheiten die Hauptursache für die hohe Kindersterblichkeit in früheren Jahren waren, so wie sie allgemein vor 100 Jahren noch die häufigste Todesursache überhaupt waren.
Man hat diese Krankheiten mit erzwungenem Fatalismus hingenommen, eben weil "kein Kraut dagegen gewachsen" war. Das bedeutet aber nicht, dass man sich nicht darüber im Klaren war, was die Krankheiten im Einzelnen bedeuten, was für Folgen sie haben können und welches Leid mit ihnen verknüpft ist. Man war sich schon vor hundert Jahren sehr wohl darüber im Klaren, dass die Kinderkrankheiten keineswegs harmlos sind. Das zeigen sehr deutlich Zitate aus dem Buch "Die Ärztin im Hause" von Dr. med. Jenny Springer, das um das Jahr 1927 geschrieben wurde:
Die Ärztin im Hause" (in zwei Bänden) von Dr. med. Jenny Springer, erschienen bei der Österreichischen Verlagsgesellschaft M. O. Groh & Co. Wien VI 1927
"Schutzformel fuer die Vereinigten Staaten von Amerika: Copyright 1910 by Dresdner Verlagsbuchhandlung Max Otto Groh, Dresden, Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts vorbehalten"
Deckblatt Buch Jenny Springer
Die Masern
Die Masern sind überwiegend eine Krankheit des Kindesalters und ungemein häufig. Sie treten meistens als Massenerkrankung (Epidemie) auf, da sie außerordentlich ansteckend sind und Kinder eine sehr lebhafte Empfänglichkeit für sie besitzen.
Die Inkubationszeit, d.h. der Zeitraum zwischen Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit, dauert gewöhnlich zehn Tage, während denen Mattigkeit und Kopfschmerzen bestehen. Dann setzt die Krankheit plötzlich mit Schnupfen, Heiserkeit, Halsschmerzen und quälendem Husten, zuweilen sogar unter dem Bild des Pseudocroup oder Bräune ein, dazu gesellt sich eine heftige Entzündung der Augenbindehaut mit starker Tränenabsonderung, Lichtscheu und anhaltendem Brennen in den Augen. Kopf- und Gliederschmerzen fehlen fast nie, und stets ist Fieber von 39° bis 40° vorhanden. Nach drei oder vier Tagen, gewöhnlich unter verstärktem Fieber, zeigt sich der für Masern charakteristische Hautausschlag zuerst im Gesicht, dann am ganzen Körper. Nicht selten treten schon vorher im Munde an der Wangenschleimhaut scharf begrenzte dunkelrote Flecke auf, welche bereits vor dem allgemeinen Exanthem die Diagnose auf Masern gestatten. Sie sind aber nicht immer vorhanden. Der Ausschlag besteht aus roten, zackigen Flecken von Linsen- bis Bohnengröße, welche die Haut etwas überragen und in der Mitte kleine Knötchen tragen. Mit dem Höhepunkt des Ausschlages, der gewöhnlich zwei Tage nach dem ersten Auftreten der Flecke erreicht ist, fällt das Fieber plötzlich ab - die Krisis, welche meistens mit einem starken Schweißausbruch verbunden ist -, doch kann die Entfieberung auch allmählich eintreten. In den nächsten Tagen blasst der Ausschlag rasch ab, und zugleich entwickelt sich eine allgemeine Abschilferung der Haut, welche wie mit Kleie bedeckt erscheint. Auch Husten, Schnupfen und Augenentzündung gehen jetzt rasch zurück, so dass mit dem Ende der zweiten Krankheitswoche gewöhnlich volle Genesung erreicht ist. Das einmalige Überstehen der Masern schützt fast stets vor einer zweiten Infektion.
Dieser glatte Verlauf kann aber starke Störungen erfahren. Nicht selten, besonders bei sehr jungen Kindern, treten zu den Masern Komplikationen hinzu, welche ernste Gefahren mit sich führen. Besonders gefährlich ist das Übergreifen des stets vorhandenen Bronchialkatarrhs - das Maserngift bewirkt ja hauptsächlich eine Entzündung aller Schleimhäute - auf die Lunge, eine gefürchtete Komplikation, deren Folge Lungenentzündung ist. Es entwickelt sich dann die an anderer Stelle geschilderte katarrhalische Pneumonie (siehe dort), welche besonders kleinen Kindern verhängnisvoll wird. In solchen Fällen zeichnen sich Masern durch langen und hohen Fieberverlauf aus. Zeigt sich diese Abweichung von dem typischen Masernverlauf, so muss sie stets den Verdacht auf Lungenentzündung erwecken. Von anderen Komplikationen sind es besonders sehr heftige Durchfälle - als Ausdruck für die Entzündung der Darmschleimhaut -, welche durch die rasche Entkräftung des ohnehin geschwächten Körpers sehr bedrohlich werden können. Auch Diphterie gesellt sich durchaus nicht selten zu Masern.
Einer besonderen Erwähnung bedürfen die Störungen derjenigen Sinnesorgane, welche besonders von den Masern in Mitleidenschaft gezogen werden, nämlich der Augen und Ohren. Die Entzündung der Augenbindehaut kann auf die Hornhaut übergreifen und schwere Schädigungen der Sehkraft erzeugen. Das Ohr bleibt fast nie verschont, da die Schleimhaut desselben ebenso wie alle anderen Schleimhäute sich entzündet und anschwillt, so dass die Kranken über Ohrensausen und Schwerhörigkeit klagen. Während aber bei normalem Verlauf diese Erscheinungen allmählich zurückgehen, kommt es in anderen Fällen zur Entzündung und Vereiterung des Mittelohrs, deren Folgen meistens sehr traurige sind, besonders bei kleinen Kindern, wenn die Erkrankung doppelseitig auftritt. Die schalleitenden Teile gehen zugrunde, und die Folge ist Taubheit. Befällt nun gar diese schwere Veränderung Kinder, welche noch nicht sprechen gelernt haben, so kommt es zu Taubstummheit, da das Sprechen nur durch Nachahmung des gehörten Wortes erlernt werden kann. Manche Masernepidemien zeichnen sich durch besondere Bösartigkeit aus, während die Krankheit im Allgemeinen ungefährlich verläuft. Am meisten gefährdet sind sehr junge, schwächliche oder schlecht genährte Kinder.
Die Behandlung durch unwissende "Heilkünstler" oder gar der Familienbehandlung auf eigene Faust fallen leider genug Kinder zum Opfer, bei denen eingetretene Komplikationen nicht erkannt wurden.
Die Kranken müssen das Bett hüten und in einem leicht verdunkelten, nicht etwa stockdunklen Zimmer, das durch Nebenräume gut zu lüften ist, untergebracht werden. Die Kost darf nur flüssig sein, um jede Darmreizung zu verhüten, wozu sich am besten Milch, Fleischbrühe, leichter Tee und leichte Suppen eignen. Tägliche Darmentleerung ist sehr wichtig. Medikamente kommen bei glattem Verlauf nicht zur Anwendung, dagegen sind tägliche lauwarme Bäder von viertelstündiger Dauer oder, wo die häuslichen Verhältnisse solche nicht gestatten, zweimal am Tage lauwarme Körperwaschungen von ganz vorzüglicher Wirkung. Es muss nur dafür gesorgt werden, dass durch Anwärmen der Leib- und Bettwäsche die Gefahr einer Erkältung vermieden wird. Bei hohem Fieber und dem Verdacht auf Lungenentzündung kommen laue Bäder mit kühlen Übergießungen oder nasse Einwicklungen in Betracht (siehe Lungenentzündung). Einige Tage nach vollkommener Entfieberung können die Kranken aufstehen und nach etwa einer Woche wieder ausgehen.
Von großer und allgemeiner Bedeutung ist die Prophylaxe, d.h. die Vorbeugung gegen die Ausbreitung der Krankheit. Vor allem müssen nicht nur die Kranken, sondern auch die gesunden Kinder aus derselben Familie vom Besuch von Schulen und Spielplätzen sowie vom Verkehr mit anderen gesunden Kindern zurückgehalten werden. Es ist gewissenlos, anders zu handeln. In der Familie selbst hat es keinen Zweck, die gesunden Kinder zu isolieren, da sie gewöhnlich schon infiziert sind und eine strenge Absperrung fast nie durchzuführen ist. Da die meisten Menschen dem Schicksal, an Masern zu erkranken, nicht entgehen, so tut man am besten, die Kinder ungestört miteinander verkehren zu lassen. Nur die Berührung mit der Außenwelt muss vermieden werden.
Diphtherie, Rachenbräune, Krupp
Es gibt wohl kaum einen gefährlicheren Feind der Kinderwelt und ihres blühenden Lebens als die Diphtherie. Scharen von Kindern sind durch sie hinweggerafft worden und in zahllosen Familien hat sie Kummer und Elend gebracht. Diphtherie, früher als Rachenbräune oder Croup bezeichnet, ist eine Infektionskrankheit von höchster Ansteckungsgefahr. Der Erreger derselben ist ein Spaltpilz, der Klebs-Löfflersche Diphtheriebazillus, dessen überaus giftigen Stoffwechselprodukte (Toxine) die schweren Krankheitserscheinungen hervorrufen. Der Grad der Giftigkeit bei den Bazillen ist nicht immer der gleiche. Er schwankt vielmehr innerhalb einer verhältnismäßig großen Weite, woraus sich der wechselnde Verlauf der Einzelfälle von Diphtherie wie ganzer Epidemien erklärt.
Die Krankheit verbreitet sich durch Contagion, d.h. durch Übertragung von Person zu Person, und zwar hauptsächlich durch die ausgehusteten Massen, von denen schon die kleinsten Mengen genügen, um eine neue Infektion zu schaffen. Besonders das Anhusten ist gefährlich, da die Bazillen auf diese Art direkt in die Luftwege gelangen. Wie alle Spaltpilze sind auch die Diphtherieerreger ungeheuer widerstandsfähig und langlebig. Im Munde des schon genesenden Kranken bleiben sie noch etwa drei Wochen lebendig, an infizierten Kleidern und Häusern im ausgetrockneten Zustande drei bis vier Monate, bei halber Austrocknung sogar sieben Monate.
Am häufigsten erkranken jüngere Kinder, während vom dreizehnten Lebensjahre die Disposition für Diphtherie allmählich abnimmt. Einmaliges Überstehen der Krankheit gewährt keinen Schutz gegen neue Erkrankungen.
Der Hauptsitz der Diphtherie ist der Rachen. Die typische Rachendiphtherie beginnt gewöhnlich mit der Bildung kleiner grauweißer Flecken auf der entzündeten Schleimhaut. Allmählich nehmen diese Auflagerungen an Ausdehnung und Dicke zu und fließen zu einer zusammenhängenden Haut ineinander, welche den ganzen Schlund samt Mandeln, Gaumenbögen und Zäpfchen überzieht. Von der Bildung dieser Haut (Membran) hat die Krankheit ihrern Namen erhalten, denn Haut oder Fell heißen griechisch Diphthera. In schweren Fällen greift die Diphtherie auch auf Nase und Kehlkopf über, die dann mit den gleichen Membranen wie der Rachen bedeckt sind. Sogar bis in die Bronchialäste der Lunge kann sich der Prozess erstrecken und dann zu katarrhalischer Lungenentzündung führen. Der äußere Verlauf der Diphtherie ist sehr verschieden, je nach der größeren oder geringeren Bösartigkeit der Bazillen. Im allgemeinen gestaltet sich das Krankheitsbild derart, dass unter starkem Unbehagen mit Mattigkeit und Kopfschmerzen Schlingbeschwerden auftreten, die rasch zu heftigen Halsschmerzen anwachsen. Das anfangs leichte Fieber steigt oft plötzlich bis 40° und darüber, und nicht selten kommt es zu Benommenheit oder Bewusstlosigkeit. Die Lymphdrüsen am Halse sind stark geschwollen und sehr schmerzhaft. Die Stimme wird heiser und tonlos. Ein bellender Husten stellt sich ein, die Atmung ist mühselig und, besonders bei Kehlkopfdiphtherie, mit Erstickungsangst verknüpft. Das ganze Krankheitsbild ist ein höchst aufregendes.
Die Diphtheriemembranen haften fest an ihrer Unterlage, im Gegensatz zu den Belägen bei Angina, die sich ohne Schwierigkeiten ablösen lassen. Die Ursache liegt in dem Umstande, dass diese diphtherischen Häute nicht Auflagerungen, sondern abgestorbene Schleimhautschichten sind, in denen sich zahllose Diphtheriebazillen angesiedelt haben, deren Toxine die von ihnen befallenen Gewebe zum Absterben bringen. Die anfangs grauweißen Membranen verfärben sich allmählich und nehmen eine schmutziggelbe oder dunkle Farbe an. Schließlich stoßen sie sich in Fetzen los, die ausgehustet werden, und hinterlassen unebene blutende Stellen. Die ausgehusteten Membranen erneuern sich jedoch in kurzer Zeit. Zuweilen tritt eine hochgradige brandige Zerstörung aller befallenen Gebiete ein. Fast ausnahmslos ist die Diphtherie von Komplikationen begleitet, welche die schon an sich gefährliche Krankheit noch bedenklicher gestalten. Zu ihnen gehört das bereits erwähnte Fortschreiten der Erkrankung auf Nase, Kehlkopf und Lungen. Ebenso ungünstig ist es, wenn sie durch die Ohrtrompeten auf das Mittelohr übergreift, da dies zur Zerstörung desselben oder gar zur Entzündung der Hirnhaut führen kann. Außerdem bestehen häufig Nierenentzündung, Darmkatarrh, entzündliche Veränderungen des Herzens und Vereiterung der Lymphdrüsen am Kiefer. Geht die Diphtherie in Heilung über, so stoßen sich die abgestorbenen Schleimhautpartien ab, an deren Stelle allmählich neues Gewebe tritt. Narben bleiben nur nach sehr tiefgreifenden brandigen Zerstörungen zurück.
Tritt der Tod ein, so erfolgt er entweder durch Erstickung oder durch Herzlähmung infolge diphtherischer Herzmuskelentzündung, durch Nierenentzündung oder Hirnhautentzündung. Bei sehr schweren Fällen dagegen wird der tödliche Ausgang durch die Allgemeinvergiftung (Sepsis) verursacht, ohne dass bestimmte Organerkrankungen eine Rolle spielen. Die Herzlähmung durch Diphtherie ist ganz besonders noch in der Rekonvaleszenz zu fürchten. Manches Kind, welches man sicher gerettet glaubte, stirbt plötzlich noch nach einigen Wochen.
Der tückische Charakter der Diphtherie offenbart sich nicht nur während des eigentlichen Krankheitsverlaufes, sondern auch in den Nachkrankheiten, die in Lähmungen verschiedener Gebiete bestehen. Am häufigsten werden die Gaumen- und Schlundmuskeln gelähmt, was erhebliche Störungen beim Essen und Sprechen zur Folge hat. Flüssigkeiten fließen aus der Nase wieder heraus, weil die Schluckmuskeln nicht arbeiten, und es kommt zu häufigem Verschlucken. Der weiche Gaumen kann sich nicht an die hintere Rachenwand anlegen und erschwert daher die Tonbildung, so dass die Sprache näselnd und undeutlich klingt.
Außer diesen Lähmungen treten nach Diphtherie noch solche der Sinnesorgane auf. Geruch und Geschmack können vollständig erlöschen. Die Augen werden sehr erheblich beeinträchtigt durch Lähmung der Akkomodationsfähigkeit, d.h. der Eigenschaft des Auges, sich auf entfernte und auf nahe Gegenstände einzustellen. Nach Diphtherie kann das Nahesehen ganz aufgehoben sein. In seltenen Fällen tritt Erblindung ein.
Wie die Sinnesorgane, so können auch die Muskeln des Gesichts und der Gliedmaßen gelähmt werden. Gewöhnlich zeigen sich die ersten Lähmungserscheinungen in der Rekonvaleszenz, in der ersten bis zweiten Woche nach der Heilung der eigentlichen Diphtherie. Sie heilen gewöhnlich ohne nachhaltige Schädigungen.
Es ist begreiflich, dass zur Bekämpfung einer so furchtbaren Krankheit alle möglichen Wege eingeschlagen worden sind, auf denen man sowohl das örtliche Leiden als die schweren Störungen des Allgemeinbefindens zu beseitigen strebte. Aber trotz zahlloser Mittel hat die Diphtherie erbarmungslos weitergewütet und massenhafte Opfer gefordert.
Erst mit dem von Behring hergestellten Heilserum ist die Gewalt der tückischen Krankheit gebrochen. Überall, wo in Krankenhäusern die Serumbehandlung durchgeführt wurde, ist die Sterblichkeit um etwa 50 Prozent heruntergegangen. Die günstige Einwirkung des Heilserums auf die Sterblichkeit zeigt sich in allen Altersstufen und ist um so größer und sicherer, je früher die Behandlung einsetzt. Früher, vor der Einführung der Serumbehandlung, waren die verschiedenen Altersstufen von 0-2 Jahren mit 60,2%, 2-4 Jahren mit 51,2%, 4-6 Jahren 38,0%, 6-8 Jahren 29,0%, 8-10 Jahren 28,8%, 12-14 Jahren 18,5% an Sterblichkeiten beteiligt, während sich unter dem Einfluss der Serumbehandlung in den gleichen Altersstufen ein Verhältnis von 25,9, 17,12, 17,24, 11,29, 5,17 10,12% findet. Besonders gute Erfolge werden da erzielt, wo das deutsche, unter staatlicher Kontrolle hergestellte Serum benutzt wird. In England und Dänemark dagegen, wo ein minderwertiges Fabrikat im Gebrauch ist, zeigt sich dies auch in der ungünstigen Statistik.
Außer dem Heilserum, das unter die Haut gespritzt wird - gewöhnlich an Brust oder Rücken -, ist auch die örtliche Behandlung von großer Wichtigkeit. Scharfe oder giftige Substanzen sind streng zu meiden, da bei Kindern immer die Gefahr des Verschluckens besteht. Am besten sind deshalb milde Spülmittel und die Anwendung von Eis als Eispillen oder als Eiskrawatte.
Kommt es trotz aller Vorbeugung zur Verlegung des Kehlkopfes und Erstickungsnot, so gibt es zwei Methoden zur Bekämpfung derselben: den Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) und die Intubation. Diese letztere wird jetzt überwiegend geübt. Sie besteht im Einführen einer Metallkanüle vom Munde aus in den Kehlkopf. Die Kanüle ist nicht rund, sondern hat einen ovalen Querschnitt und ist so geformt, dass sie eine ungestörte Atmung ermöglicht. Durch ihre Unblutigkeit ist die Intubation dem Luftröhrenschnitt entschieden vorzuziehen, doch nur in Verbindung mit der Serumbehandlung. Ohne diese bewährt sich die Tracheotomie besser.
Von großer Wichtigkeit ist die Hebung des Allgemeinzustandes durch kräftige Ernährung, die eventuell durch die Schlundsonde bewerkstelligt werden muss. Ebenso ist die Hebung der Herzkraft von äußerster Bedeutung.
An Diphtherie erkrankte Kinder müssen sofort in einen abgesonderten Raum gebracht und von anderen Kindern streng isoliert werden.
Der Keuchhusten
Der Keuchhusten tritt vornehmlich im Kindesalter auf und ist eine Erkrankung, die stets in Berührung mit anderen Keuchhustenkranken erworben wird. Er tritt fast stets in mehr oder minder umfangreichen Epidemien auf und schließt sich häufig an Masern an. Gewöhnlich ist mit einmaligem Überstehen des Keuchhustens die Empfänglichkeit für eine neue Ansteckung erloschen. Der Infektionskeim haftet an der Ausatmungsluft und an dem Schleim, welcher beim Husten nach außen befördert wird.
Der Verlauf des Keuchhustens ist ein sehr charakteristischer und lässt deutlich drei Stadien unterscheiden, von denen das erste heftigen Brochialkatarrh, das zweite die Krampfhustenanfälle und das dritte das allmähliche Zureckgehen der Krankheit umfasst. Die Dauer dieser Abschnitte ist sehr wechselnd, woraus sich auch die große Mannigfaltigkeit in der Dauer der Gesamterkrankung erklärt, welche vier bis sechs Wochen, aber auch ebensoviele Monate betragen kann. Durchschnittlich kann man für jedes Stadium vier bis sechs Wochen annehmen. Damit deckt sich auch annähernd der Volksglaube, der dem Keuchhusten eine Dauer von achtzehn Wochen zuspricht.
Der Beginn der Krankheit gleicht völlig einem gewöhnlichen Luftröhrenkatarrh, der nur zuweilen mit einer Entzündung der Augenbindehaut verbunden ist. Gewöhnlich tritt gegen Abend etwas stärkerer Husten und leichtes Fieber ein. Außerdem sind die Kinder matt und verdrießlich und fallen durch stark gedunsene untere Augenlieder auf. Allmählich wird der Husten immer häufiger und heftiger, bis schließlich der eigentliche Keuchhusten zum vollen Ausbruch kommt. Übrigens kann das katarrhalische Stadium ganz fehlen und gleich von Anfang an der Krampfhusten einsetzen.
Das zweite Stadium mit seinen furchtbaren Hustenanfällen ist sowohl für die Kranken wie für ihre Umgebung eine schwere, qualvolle Zeit. Der Hustenanfall selbst ist ganz charakteristisch. Er beginnt mit einem tiefen pfeifenden Atemzug, dem ununterbrochen kurze, bellende Hustenstöße folgen, um wieder mit dem pfeifenden Atmen abzuwechseln. Der Anfall dauert gewöhnlich mehrere Minuten und endet erst, wenn mit heftigem Würgen oder Brechen ein durchsichtiger, klebriger und zäher Schleim herausgebracht wird, der so fest haftet, dass kleine Kinder oft nicht die Kraft haben, ihn herauszuhusten. In diesem Falle muss man ihn mit einem nassen Tuch oder mit den Fingern aus dem Munde herausholen. Während des Anfalles geraten die Kranken in angstvolle Aufregung und greifen nach irgend einem Halt, um sich daran festzuklammern. Kleine Kinder pflegen ein jammervolles Geschrei zu erheben. Während des Anfalls entwickelt sich eine starke Stauung in den zusammengepressten Blutgefässen, das Gesicht färbt sich infolgedessen blaurot, die Augen quellen aus ihren Höhlen, und häufig kommt es zu Blutaustritten in die Augenbindehaut oder die Haut des Gesichts. Zuweilen sind diese Hautblutungen so ausgedehnt und reichlich, dass die Umgebung des Auges und ein Teil der Wange dunkelblau unterlaufen sind und den Anschein erwecken, als wenn ein heftiger Faustschlag ins Gesicht die Ursache wäre. Nicht selten stellt sich während eines Anfalls unfreiwilliger Abgang von Harn und Kot ein. Im Durchschnitt treten zwanzig bis dreißig solcher krampfartiger Hustenanfälle am Tage ein. Merkwürdigerweise sind die Kranken in der dazwischen liegenden Zeit vollkommen munter und vergnügt; nur selten zeigt sich eine besondere Ermattung. Bereitet sich ein neuer Anfall vor, so macht er sich gewöhnlich durch Kitzel im Hals oder durch etwas Atembehinderung bemerkbar und veranlasst die Kinder, hilfesuchend zur Mutter zu eilen, weil sie sich vor der Erstickungsangst während des Anfalls unsäglich fürchten. Besonders qualvoll und häufig treten die Anfälle in der Nacht auf, was darauf zurückzuführen ist, dass sich während des Schlafens besonders leicht Schleimmassen in den Luftwegen ansammeln und dadurch den Hustenreiz auslösen.
Schließlich aber lassen die schlimmsten Erscheinungen nach. Die Anfälle werden leichter, seltener, die Erstickungsnot hört auf und das krampfhafte Keuchen tritt in immer größeren Zwischenräumen ein, bis es endlich ganz verschwindet. Wie der Keuchhusten als Bronchialkatarrh begann, so hört er gewöhnlich auch als solcher auf. Nur können Erkältungen leicht zu Rückfällen, besonders zum plötzlichen Auftreten der krampfhaften Hustenstöße führen. In den meisten Fällen tritt nun baldige Genesung ein. Nicht selten jedoch entwickeln sich Komplikationen, die den Ausgang der Krankheit verhängnisvoll beeinflussen. Die häufigste ist das Hinzutreten einer Lungenentzündung, welcher sehr junge Kinder meistens erliegen. Merkwürdigerweise treten während derselben die Keuchhustenanfälle ganz zurück.
Die meisten Kinder überstehen Keuchhusten ohne bleibende Schäden. Bei anderen jedoch, besonders bei den schwächlichen und unterernährten Kindern aus dem Volke, bilden sich nicht selten ernste Nachkrankheiten aus, die lange Jahre bestehen und sogar ein dauerndes Siechtum herbeiführen können. Es sind vornehmlich tuberkulöse und skrofulöse Erkrankungen, welche sich unter unhygienischen Verhältnissen gern im unmittelbaren Anschluss an Keuchhusten entwickeln.
Die Behandlung von Keuchhusten bietet nicht selten große Schwierigkeiten, da es spezifische Mittel dagegen nicht gibt und die Krampfhustenanfälle allen Versuchen, sie zu bekämpfen, hartnäckig widerstehen. Zahllose Medikamente sind als unfehlbar wirkend angepriesen worden, aber gewöhnlich kommen auf einen Erfolg viele Misserfolge. Das verhältnismäßig zuverlässigste ist das Chinin, obgleich auch dieses oft genug versagt. Die Hauptbedeutung kommt dem allgemeinen diätetischen Verhalten zu. Die Kranken müssen von der gesunden Umgebung abgesondert werden. Je reiner die Luft, desto kürzer ist die Dauer der Krankheit; erfahrungsgemäß verzögert schlechte Luft die Heilung ganz erheblich. Daher kommt es, dass ein Ortswechsel, bei welchem ja stets ein hygienisch günstiger Aufenthalt gewählt wird, Heftigkeit und Dauer des Keuchhustens bedeutend herabsetzt. Der Aufenthalt im Freien ist überall notwendig, gleichviel ob Wärme oder Kälte herrscht.
Nur gegen rauhe Winde müssen die Kranken geschützt werden. In der Ernährungsweise braucht keine Veränderung vorgenommen werden, falls die Kinder nicht an eine sehr unhygienische und unvernünftige Lebensweise gewöhnt sind. Am meisten empfehlen sich häufigere und leicht verdauliche Mahlzeiten, reichlich Milch und keine trockenen Speisen, die zum Husten reizen. Am besten geeignet zur Nahrungsaufnahme ist die Zeit nach einem Anfall, weil dann eine längere, von Erbrechen freie Zeit zu erwarten ist. Außer diesen diätetischen Maßregeln spielt auch die erzieherische Wirksamkeit von seiten der Eltern und des Pflegepersonals eine sehr erhebliche Rolle. Die erkrankten Kinder sollen durch freundliches Zureden angehalten werden, den Husten möglichst zu unterdrücken, da erfahrungsgemäß mancher Anfall dadurch im Entstehen abgeschnitten werden kann.
Es kann nicht genug betont werden, wie notwendig die strengste Absonderung keuchhustenkranker Kinder ist. Gegen dieses scheinbar so selbstverständliche Gebot der Rücksichtsnahme auf die Mitmenschen wird leider häufig in unverantwortlichster Weise gesündigt, wovon man sich auf öffentlichen Spielplätzen und in öffentlichen Fuhrwerken, wie Straßenbahnen und Omnibus, oft genug überzeugen kann. Tritt im Freien ein Anfall ein, so muss der Auswurf mit dem Taschentuch aufgefangen werden, um die Bildung neuer Ansteckungsherde zu verhindern.
Kinderlähmung
Die akute Rückenmarkslähmung (Kinderlähmung, akute Entzündung der Vorderhörner des Rückenmarks)
Die akute Rückenmarklähmung oder Kinderlähmung kommt nur sehr selten bei Erwachsenen, dagegen so häufig bei Kindern vor, dass man sie fast zu den Kinderkrankheiten rechnen muss. Sie tritt schon bei Säuglingen auf, sucht aber ihre Opfer am meisten unter Kindern bis zu vier und sechs Jahren, während sie jenseits dieses Alters nur selten zur Beobachtung gelangt.
Das Leiden ist eine Infektionskrankheit, die entweder selbstständig entsteht oder sich im Anschluss an andere Infektionskrankheiten, wie Diphtherie, Scharlach, Typhus u. a. entwickelt. Weshalb gerade das kindliche Rückenmark so oft davon befallen wird, ist nicht aufgeklärt. Während von einer Seite eine ständige Blutüberfüllung desselben angenommen wird, die eine größere Neigung für Entzündungen schaffe, soll nach anderen Anschauungen das Erlernen von Geh- und Greifbewegungen eine Überanstrengung und damit eine verringerte Widerstandsfähigkeit gegen Schädlichkeiten bewirken.
Die anatomischen Vorgänge, welche der Krankheit zugrunde liegen, bestehen in einer Entzündung der grauen Substanz des Rückenmarks, und zwar fast ausschließlich der Vorderhörner. Das Charakteristische des Vorganges aber liegt in dem raschen Zugrundegehen der großen Nervenzellen der Vorderhörner, da sie gewissermaßen die Zentralorgane für die Muskeln bilden, deren Funktionsfähigkeit im engsten Zusammenhang mit ihnen steht. So kommt es, dass der Schwund dieser Teile des Rückenmarks zu Lähmungen führt, deren Umfang von der Ausdehnung des Krankheitsprozesses abhängt.
Die Hauptsymptome der Krankheit bestehen im plötzlichen Auftreten von Lähmungen, in schneller Abmagerung der befallenen Muskeln und im Aufhören sämtlicher Haut- und Sehnenreflexe, während die Gefühlsnerven vollständig unversehrt bleiben. Auch Blase und Mastdarm erleiden keine Störungen.
Die Krankheit beginnt meist ohne irgendwelche Ursachen ganz plötzlich mit hohem Fieber, Benommenheit und Krämpfen, die bei kleinen Kindern nicht selten für Zahnkrämpfe gehalten werden.
Ältere Kinder klagen gewöhnlich über heftige Schmerzen im Rücken und Kreuz. Die Krämpfe können sich mehrmals wiederholen und hören dann auf, - aber bei ihrem Verschwinden sind die Kinder gelähmt. In anderen Fällen fehlen die stürmischen Anfangserscheinungen und die Lähmung entwickelt sich ganz unbemerkt, bis eines Tages die Kinder sich nicht mehr bewegen können. So kommt es nicht selten vor, dass nach einem längeren Krankenlager das Gehen unmöglich ist, weil sich inzwischen eine Entzündung der Vorderhörner mit ihren Folgen eingestellt hat. Besonders bei ganz kleinen Kindern, die noch nicht laufen, wird der Beginn der Krankheit leicht übersehen. In wieder anderen Fällen wird von den Angehörigen angegeben, dass die Kinder sich abends in vollkommenem Wohlbefinden zu Bett gelegt hätten und am nächsten Morgen gelähmt gewesen wären.
Die Lähmung tritt überwiegend an den unteren Gliedmaßen, weniger häufig an den oberen und verhältnismäßig selten am ganzen Körper auf. Nach einiger Zeit schränkt sich die Lähmung, die zuerst gewöhnlich ein großes Gebiet befällt, wesentlich ein, so dass nur bestimmte Muskelgruppen dauernd gelähmt bleiben. Die gelähmten Muskeln sind im Gegensatz zu der vorher besprochenen krampfartigen Lähmung ohne jede Spannung und bieten passiven Bewegungen keinen Widerstand. Man spricht deshalb von einer schlaffen Lähmung. Die erkrankten Muskeln magern sehr bald so stark ab, dass sie innerhalb weniger Monate fast verschwunden sind und der betreffende Körperteil nur aus Haut und Knochen besteht. Die Ursache zu diesem raschen Schwunde liegt nicht in der Untätigkeit der Muskeln, sondern im Zugrundegehen der großen Nervenzellen in den erkrankten Vorderhörnern der grauen Rückenmarksubstanz. Die Abmagerung wird in manchen Fällen durch eine bedeutende Fetteinlagerung in die gelähmten Muskeln verdeckt, die sogar so stark werden kann, dass die Muskeln übermäßig verdickt erscheinen. Überhaupt nimmt das Fettpolster des gesamten Körpers zu.
Die Haut ist an den erkrankten Gliedern blaurot verfärbt, kühl und oft geschwollen. Allmählich bilden sich Verbiegungen der gelähmten Teile heraus, durch welche die bedauernswerten Kinder zu Krüppeln werden. Am meisten sind auch hier wieder die unteren Gliedmaßen beteiligt, deren Fußgelenke die verschiedensten Verkrümmungen erfahren. Am häufigsten ist der Klumpfuß, bei dem der Fuß mit dem äußeren Rande aufgesetzt wird, und der Spitzfuß, bei welchem nur die Zehen den Boden berühren. Die Ursache liegt darin, dass infolge der Lähmung bestimmte Muskeln nicht mehr mit den gesund gebliebenen zusammenarbeiten und diese nun das Übergewicht erlangen, so dass entweder die Beuger oder die Strecker allein die Stellung des Fußes bestimmen. Dazu kommt noch, dass die gelähmten Teile im Wachstum zurückbleiben, was besonders bei den unteren Gliedmaßen sehr böse Folgen hat, da Verkürzung eines Beines zur Schiefstellung des Beckens und damit auch zur Verkrümmung der Wirbelsäule führt. Eine große, vielleicht die größte Zahl der vielen unglücklichen Krüppel, die als Bettler ihr Leben fristen, sind durch Kinderlähmung in ihren elenden Zustand versetzt worden.
Außerdem kommt es häufig noch zu einer anderen Folgeerscheinung mit äußerst eingreifenden Funktionsstörungen, nämlich zu den sogenannten Schlottergelenken. Besonders bei Lähmung der oberen Gliedmaßen entwickelt sich nicht selten ein Schlottergelenk in der Schulter, weil der Schultermuskel, der den Arm heben soll, gelähmt ist und der Oberarm infolge seiner Schwere stark nach abwärts sinkt, so dass der Gelenkapfel gedehnt wird und die beiden Gelenkenden sich nicht mehr berühren. Auch Hüft- und Kniegelenk können in der gleichen Weise funktionsunfähig werden, im allgemeinen aber doch seltener, da das gelähmte Bein von unten her fast ausnahmslos einen festen Gegendruck erfährt.
Die Aussichten auf völlige Heilung der verhängnisvollen Krankheit sind sehr gering, doch gibt es Fälle mit vollkommener Wiederherstellung, wenn sie auch sehr selten sind. Besserungen dagegen kommen häufig vor, wenigstens in Bezug auf den Umfang der Lähmung. Schon nach dem Schwinden der ersten stürmischen Krankheitserscheinungen pflegt, wie bereits erwähnt, ein Rückgang der anfänglichen Lähmung einzutreten, so dass anstatt einer ganzen Gliedmaße nur bestimmte Muskeln gelähmt bleiben. Und auch hier kann bei rechtzeitiger und fachkundiger Behandlung noch viel erreicht werden. Durchschnittlich kann angenommen werden, dass Erfolge nur innerhalb der ersten neun Monate nach der Erkrankung zu erzielen sind. Was sich innerhalb dieser Zeit nicht geändert, bleibt endgültig gelähmt.
Das Schicksal der so früh gelähmten Kinder ist sehr traurig, da sie ihr Leben als Krüppel verbringen. Dabei können sie ein hohes Alter erreichen. Der einzige Lichtblick besteht in dem Umstand, dass trotz der schweren Erkrankung die Intelligenz, überhaupt die geistige Beschaffenheit, unberührt bleibt, so dass in manchen Fällen sogar die Ausübung eines - dem besonderen Falle angepassten - Berufes möglich werden kann.
Die Behandlung richtet sich nach den verschiedenen Stadien der Krankheit und ist infolgedessen sehr vielgestaltig. Ihre Grundzüge bilden Bäder, Elektrizität und Massage. Von ganz außerordentlicher Bedeutung sind außerdem orthopädische und chirurgische Methoden, die in immer weiterem Umfang zur Behandlung der Folgen der Lähmungen herangezogen werden. Im Vordergrunde der chirurgischen Behandlung steht die Sehnenüberpflanzung, die in solchen Fällen angezeigt ist, in denen sich Muskelgruppen von Beugern und Streckern nicht mehr das Gegengewicht halten, wie beispielsweise beim Klumpfuß und Spitzfuß. Hier haben die gesunden Muskeln das Übergewicht über die gelähmten erlangt und halten den Fuß in einer unnatürlichen Stellung fest. Wird nun von der Sehne eines gesunden Muskels ein Streifen abgelöst und mit der Sehne des gelähmten Muskels vereint, so wird nicht, wie dies vorher der Fall war, nur der gesunde, sondern auch der gelähmte Muskel bewegt. Mit dem Erfolg, dass die einseitige Stellung des Fußes durch das wiederhergestellte Gleichgewicht der Beuger und Strecker aufgehoben wird. Mit dieser einfachen und doch so genialen Operation, die natürlich an allen Stellen ausgeführt werden kann, wo gleiche Verhältnisse vorliegen, werden überraschende Erfolge erzielt.
Starrkrampf (Tetanus)
Der Tetanus oder Wundstarrkrampf
Der Tetanus oder Wundstarrkrampf gehört zu den unheilvollsten Infektionskrankheiten. Er entsteht durch die Tetanusbazillen, deren Stoffwechselprodukte von ganz außerordentlicher Giftigkeit sind. Gelangen Tetanusbazillen in den Körper, so wirken diese giftigen Stoffe (Toxine) als echtes Gift auf das Gehirn und erzeugen den gefürchteten Starrkrampf, dem ungezählte Menschenleben zum Opfer gefallen sind und noch fallen.
Fast ausnahmslos liegt dem Tetanus eine Verletzung zugrunde, die nicht selten so klein ist, dass sie kaum noch nachgewiesen werden kann. Ganz besonders beobachtet man Tetanus nach Verletzungen an Händen und Füßen, wenn diese mit Erde oder Holzsplittern verunreinigt sind. Die Untersuchungen haben denn auch ergeben, dass Boden, Gartenerde, Müll und Kehricht häufig Tetanusbazillen enthalten. Auch in Spinngeweben sind sie gefunden worden - ein triftiger Grund zur Warnung vor dem noch immer anzutreffenden Unfug, frische Wunden zur Blutstillung mit Spinngeweben zu bedecken. Auch Pferde können indirekt die Übertragung auf den Menschen vermitteln, da Tetanusbazillen besonders häufig in Pferdekot gefunden werden.
Die Krankheit entwickelt sich häufig nicht immer gleich nach der Verletzung, sondern kann noch Tage, ja Wochen nachher ausbrechen, wenn die Wunde längst vernarbt ist. Das erste Symptom ist eine eigentümliche Steifigkeit in den Kiefern der Kranken. Sie können den Mund nicht recht öffnen und klagen über ziehende Schmerzen in den Kaumuskeln. Dieser Zustand wird als Trismus bezeichnet. Gewöhnlich besteht gleichzeitig hohes Fieber. Die ganze Gesichtsmuskulatur ist krampfhaft zusammengezogen und verleiht dem Kranken einen merkwürdig starren Ausdruck. Sehr bald zeigt sich eine deutliche Nackenstarre, der sich krampfartige Zusammenziehungen von ganz kurzer bis zu minutenlanger Dauer anschließen. Diese Krampfanfälle können die Muskeln sowohl des Rumpfes als auch der Gliedmaßen ergreifen und sind außerdordentlich schmerzhaft. Schon die leisesten äußeren Reize, wie Berührung des Kranken, grelles Licht, Geräusche, Betreten des Krankenzimmers u.a. können sie zur Qual des Patienten hervorrufen. Die Kaumuskeln bleiben dauernd fest zusammengezogen. Das Bewusstsein ist stets frei, trotzdem das Fieber fast stets die höchsten Grade erreicht. Durch die starke Muskelspannung wird auch die Atmung sehr erschwert, so dass der Zustand ein entsetzlich qualvoller ist und die Kranken in Schweiß gebadet liegen. Der Durst ist brennend, seine Stillung aber durch die Unmöglichkeit, den Mund zu öffnen, hochgradig erschwert.
Von diesem Durchschnittsbild des Tetanus kommen mancherlei Abweichungen vor. Es gibt Fälle mit so rasch tödlichem Verlauf, dass es nicht einmal zur Temperaturerhöhung kommt. Es besteht dann eine so ausgebreitete Muskelstarre, dass die Kranken vollständig steif daliegen, ohne dass auch nur das leiseste Nachlassen der Starre erfolgt. Diese schlimmsten Fälle führen schon in wenigen Stunden zum Tode.
Das Gegenteil sind die leichteren Fälle, bei denen die Spannung der Muskeln eine verhältnismäßig geringe bleibt und die Krankheit nach mehrwöchiger Dauer mit Genesung endet.
Im allgemeinen verläuft der akute Tetanus, wie er vorstehend geschildert, überwiegend tödlich, nachdem er nur wenige Tage bestanden. Zieht sich die Krankheit längere Zeit hin, so wächst die Möglichkeit der Heilung, wenn auch Monate vergehen können, bis die Nachwehen der schweren Erkrankung überwunden sind. Tritt der Tod ein, so erfolgt er meistens durch Herz- oder Atmungslähmung oder als Folge einer übermäßigen Temperatursteigerung.
Abgesehen von seiner Bedeutung als einer der gefährlichsten und tückischsten Infektionskrankheiten ist der Tetanus noch dadurch von besonderem Interesse, dass er den Anlass zur Entdeckung der immunisierenden Eigenschaft des Blutserums bei Infektionskrankheiten gegeben hat, auf die sich die moderne Serumbehandlung gründet.
Die Behandlung des Tetanus stößt auf große Schwierigkeiten. Örtliche Behandlung einer Verletzung bei schon ausgebrochener Krankheit ist ganz nutzlos, da die Bazillen und ihre Gifte längst in den Säftestrom des Organismus eingedrungen sind. Die Gifte gelangen in die Gehirnzellen, von denen sie so fest gebunden werden, dass sie jeglichem Mittel zu ihrer Unschädlichmachung widerstehen. Darauf beruht die Wirkungslosigkeit des Tetanusheilserums, von dem man sich anfangs die größten Erfolge versprach. Es versagt vollständig, wenn es erst nach Auftreten der ersten Krankheitssymptome eingespritzt wird. Dagegen leistet es dann vortreffliche Dienste, wenn es prophylaktisch, als Vorbeugungsmittel angewandt wird. In einer Reihe von Beobachtungen bei Arbeitern eines Berufs, in dem Tetanus häufig auftrat, hat sich ergeben, dass, wenn bei Verletzungen mit Verunreinigunen durch Erde sofort Tetanusserum eingespritzt wurde, der Starrkrampf dauernd ausblieb.
Die einzelnen Krampfanfälle können nur mit narkotischen Mitteln bekämpft werden. Sie sind nicht nur entsetzlich qualvoll und schmerzhaft, sondern auch überaus gefährlich, da jeder Krampfanfall den Kranken in Erstickungsgefahr bringt oder doch mindestens eine bedrohliche Verminderung der Kräfte hervorruft. Von allen Mitteln dieser Art bewährt sich am besten das Morphium, das die Übererregbarkeit des Nervensystems rasch herabsetzt, so dass nicht bei jedem kleinsten Anlass die Muskelstarre eintritt. In Verbindung mit Einspritzungen von Tetanusserum sollen ausgezeichnete Erfolge erzielt worden sein.
Besonders schwierig ist die Ernährung, da der Mund durch die krampfhafte Zusammenziehung der Kaumuskeln fest zusammengepresst ist und nicht geöffnet werden kann. Auch wenn dieser Umstand nicht besteht, tritt häufig beim Versuch, etwas herunterzuschlucken, ein so heftiger Krampf der Schlingmuskeln auf, dass sich der Kranke verschluckt und ersticken kann. Daher muss jede Nahrungszufuhr vom Mastdarm aus erfolgen oder auch unter die Haut gespritzt werden. Im Übrigen muss der Kranke vor Erschütterung, Geräusch und grellem Licht sorgfältig geschützt werden.
Jenny Springer (zuletzt geändert am 28.06.07 03:02)
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