von Utpal Bhattacharya
Diesen Artikel publiziere ich mit freundlicher Genehmigung der World Bank Group. Das Original dieser Seite ist auf der Website der World Bank Group unter http://www.worldbank.org/transitionnewsletter/janfeb00/pgs24-26.htm gespeichert.
The World Bank Group kindly allowed me to publish this article, the original can be found at World Bank Groups website at http://www.worldbank.org/transitionnewsletter/janfeb00/pgs24-26.htm
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Die Möglichkeit von Ponzi-Systemen in Übergangs-Wirtschaftssystemen
von Utpal
Bhattacharya
Auf
der Höhe seines Erfolges in Boston im Jahr 1920 wurde Charles A. Ponzi als der größte Italiener aller
Zeiten von jenen
bejubelt, die er betrog. "Das stimmt nicht," sagte er bescheiden, "da
war Kolumbus, der Amerika entdeckte und
Marconi, der das Radio entdeckte." "Aber Charlie, Sie entdeckten Geld,"
antworteten sie ihm.
Die Maschine zum Geldverdienen, die Charles A. Ponzi im Juni 1919 in Boston erfunden hatte, war in ihrer Einfachheit elegant. Sie enthielt drei kritische Bestandteile. Zuerst überzeugte er einige Menschen von seinem Investitions-Konzept (die durch die 'International Postal Union' herausgegebenen Kupons verstießen dem Anschein nach gegen das Gesetzt einheitlicher Preise, deshalb bot er eine Nutzung der Kursunterschiede an). Als zweites versprach er ihnen eine hohe Rendite auf ihre Investitionen (einen Zinssatz von 50 Prozent pro Quartal), und drittens erzeugte er Glaubwürdigkeit, indem er zu Beginn seine Versprechen einlöste: "Zinsen und Grundkapital" der frühen "Investoren" wurden von den Geldern derer ausgezahlt, die in der Folge für dieses System rekrutiert wurden. Während sich sein guter Ruf durch Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitete, strömten ihm die Menschen aus ganz Neu-England zu, um zu investieren. Ponzi kassierte täglich etwa 200.000 Dollar. Sein System brach schließlich im August 1920 zusammen, als der Boston Globe Ponzi's Machenschaften offen legte.
Solche Systeme existierten es schon vor Ponzi und es gab sie auch danach. Der erste Artikel über ein solches System stammte von Mackay (1841), es wurde von dem Schotten John Law in Frankreich im Jahr 1719 ausgeheckt. Kurz darauf folgte in England das 'South Sea Bubble' im Jahr 1720. Derzeit verzeichnen die Ponzi-Systeme dank des Internet ein dramatisches Comeback.
Um Ponzi-Systeme in Wirtschaftssystemen zu erklären, die sich nicht immer weiterentwickeln, wurden zusätzliche Annahmen veröffentlicht. Diese Literatur kann in zwei Kategorien eingestuft werden. Die erste Kategorie betrachtet die Verhaltensweise und unterstellt, dass einige der Teilnehmer irrational handeln. Die zweite Kategorie, die neoklassische Annahmen beinhaltet, unterstellt spezifische wirtschaftliche Gegebenheiten (Behördenprobleme, asymmetrische Informationen, usw.) um die Ergebnisse aufzuzeigen. Unser Artikel gehört zu dieser zweiten Kategorie. Es soll demonstrieren, wie ein skrupelloser Initiator ein Ponzi-System entwickeln kann, das auf die eingeschränkte Ökonomie eines im Wandel befindlichen Wirtschaftssystems abzielt.
In diesem Artikel stellen wir dar, dass ein Ponzi-System für einen Initiiator mit guten politischen Beziehungen eine raffinierte Methode ist, um in einer Übergangswirtschaft staatliche Vermögen abzuschöpfen. Wie das funktioniert? Der Initiator ködert Bürger mit dem Versprechen exorbitanter Gewinne. Er instrumentalisiert deren rationale Denkweise, wenn genügend Menschen am System teilnähmen, würde das Staatsvermögen als Sicherheitsleistung herangezogen werden, falls das System versagt. Deshalb stellt das Ponzi-System in einer Übergangswirtschaft eine wirklich zynische Auslegung der "zu groß, um zu scheitern Lehre" durch einen Privatmann dar. Dieser Beitrag soll detailliert schildern, wie dies geschehen kann und von unserer Hypothese und den daraus resultierenden Implikationen zu einigen spektakulären Ponzi-Systemen hinführen, die in Übergangs-Wirtschaftssystemen aufgetreten sind.
Ein klassisches Ponzi-System ist eine auf dem Kopf stehende Pyramide. Die spitze Unterseite ist die Anzahl an Bürgern, die in der ersten Runde einstiegen, die Höhe stellt die Gesamtzahl an Runden dar, und die Oberseite ist die Masse der Teilnehmer, die in der aktuellen Runde eingestiegen sind. In jeder Runde verkauft der Initiator an die Teilnehmer Zertifikate, die ihnen für jede Folgerunde einen attraktiven Ertrag auf ihre Investitionen versprechen. Da das in einer Runde kassierte Geld dazu genutzt wird, die Zahlungsverpflichtungen gegenüber Investoren vorhergehender Runden zu erfüllen, stammt der Gewinn des Initiators meist aus den Investitionen der allerersten und der allerletzten Runden, gleich zu welchem Zeitpunkt er sich mit vollen Taschen aus dem Staub macht. Für den Betreiber stellen die Werbungskosten zum Rekrutieren einer ersten Investorengruppe den größten Kostenblock dar, denn wenn sich erst einmal durch erfolgte Auszahlungen ein guter Ruf entwickelt hat, dann sprechen sich die Möglichkeiten dieses phantastischen Systems durch Mund-zu-Mund-Propaganda (oder durch Mouse-Klicks) wie ein Lauffeuer herum. Der Initiator richtet sein System risikolos auf Profit-Maximierung aus. Er hat dabei nur einen Zwang: in jeder neuen Runde müssen neue Investoren einsteigen.Die in der allerersten Runde wirksamen ökonomischen Kräfte werden nachfolgend beschrieben. Da ein Ponzi-System jeglichem Staatsinteresse zuwider handelt, ist es für den Staat wichtig, sofort einzugreifen. Jedoch gibt es in einer Übergangswirtschaft keine ausreichend starke Regierung, um dies zu tun. Genauso wenig sind die Bürger in der Lage, Gegenmaßnahmen zu koordinieren. Die einzige Instanz, die eingreifen könnte, wäre eine Regulierungs-Instanz, die zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Privatinteresse des Ponzi-Initiators abwägen kann. Deshalb ist eine Intervention keinesfalls sicher. Je stärker die politischen Beziehungen des Initiators sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Intervention. Während den ersten Runden bietet der Initiator deshalb Renditen an, die hoch genug sind um sicherzustellen, dass der von risikoscheuen Bürgern erwartete Verlust im Falle einer Intervention nicht größer ist als der erwartete Gewinn bei ausbleibendem Einschreiten eines Regulierers. Deshalb nehmen die Bürger auch an diesen ersten Runden teil.
Die in den beiden letzten Runden wirksamen ökonomischen Kräfte sind andere. Der Initiator plant, das System zu beenden, nachdem er das Geld der letzten Runde kassiert hat, soweit es nicht schon vorher von einem Regulierer gestoppt wird. Da das in jeder Runde eingenommene Geld dazu verwendet wird, die Investoren früherer Runden auszuzahlen, sind nicht nur die Teilnehmer der letzten Runde von einem Ende des Systems betroffen, sondern mindestens auch die Teilnehmer der vorletzten Runde. Sie werden sehr aufgebracht. Zorn fördert die Koordination. Sie organisieren sich, um sich mit Staatsvermögen zu entschädigen. Da die Anzahl der Protestierenden groß und das Staatsvermögen immens ist, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Entschädigung auf Staatskosten über Null. Wie unsere nachfolgende Darstellung aufdeckt, hat es tatsächlich Entschädigungen aus Staatsvermögen für Verluste durch Ponzi-Systeme gegeben. Da aber jeder Bürger einen gleichen Anspruch auf das Staatsvermögen hat, stellt eine Entschädigung auf Staatskosten eine Vermögensumverteilung von Ponzi-Nichtteilnehmern zu Ponzi-Teilnehmern dar. Die Parameter des Ponzi-Systems werden so eingestellt, dass der mögliche Verlust bei einer Teilnahme (Preis des Zertifikats minus des zu erwartenden Umverteilungs-Gewinnes aus einer Entschädigung) nicht größer ist als der entgangene Gewinn bei einer Nichtteilnahme (der zu erwartende Umverteilungs-Verlust im Entschädigungsfall). Deshalb nehmen die Bürger an diesen letzten zwei Umläufen teil.
Ein wichtiges Resultat dieser Ausarbeitung ist, dass bei symmetrischem Informationsfluss, bei dem alle Bürger wissen, in welcher Runde sie sich befinden, sie tatsächlich bereit wären, in ein Ponzi-System einzusteigen, gleich ob eine Entschädigung gesichert ist oder nur erwartet wird, solange diese Bürger glauben, dass diese Entschädigung höher ausfallen wird als ihre Verluste. Da aber keine Fälle bekannt sind, in denen Entschädigungsleistungen die Verluste überstiegen, entbehrt solche ein Glaube jeglicher Vernunft. Wir können also festhalten, dass in stabilen Wirtschaftsystemen, in denen Ponzi-Systeme nur selten Bedingungen vorfinden, die sie zu ihrer Entfaltung benötigen, solche Pyramidensysteme seltener anzutreffen sind.
Um ein Ponzi-System in einem realistischeren System mit einer nur teilweisen oder sogar unsicheren Entschädigungsmöglichkeit zu betreiben, erfordert asymmetrischen Informationsfluss. Dabei wissen die Teilnehmer nicht genau, in welcher Runde sie sich befinden, glauben aber, ihre Erwartungen rational einzuschätzen. Wir zeigen dies am Beispiel eines Ponzi-Systems, bei dem der Staat, wenn überhaupt, Verluste möglicherweise nur teilweise entschädigt. Dies wird möglich, weil - anders als im Fall des symmetrischen Informationsflusses, bei dem ja zweierlei Zwänge auf die Teilnehmer einwirken (der Zwang der ersten Runde und der Zwang der beiden letzten Runden) - es nun nur noch einen Zwang für die Teilnehmer gibt ( einen den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit unterliegenden gewichteten Mittelwert beider Arten von Zwängen, wobei sich die Wahrscheinlichkeit in dem rationalen Glauben der Teilnehmer gründet, sich nicht in einer der beiden letzten Runden zu befinden). Dies verschafft dem Betreiber einen zusätzlichen Grad an Freiheit für das Design seines Ponzi-Systems. Insbesondere kann er steigende Ängste bei Teilnehmern der letzten beiden Stufen (hervorgerufen durch nicht oder nicht ausreichend vorhandene Sicherheiten) mit einer erhöhten Gewinnerwartung für höhere Stufen kompensieren.
Oben genannte Bedingungen können in Übergangs-Wirtschaftssystemen bestehen. Deshalb kann es nicht nur purer Zufall sein, dass in der Vergangenheit einige der größten Ponzi-Systeme in solchen Wirtschaftssystemen aufgeblüht sind. Eine sorgfältige Untersuchung von vier Ponzi-Systemen - zwei historischen und zwei aktuellen - macht deutlich, dass einer oder sogar mehrere der oben beschriebenen Faktoren in diesen Ländern bestanden haben können, als die Ponzi-Systeme auftraten. Die Lektüre von Mackay's Schilderung des Mississippi-Systems aus dem Jahr 1841 macht deutlich, dass John Law's Betrug den Segen des französischen Staates hatte, dessen Finanzen nach dem Tod von Louis XIV in einer heillosen Unordnung waren. Mackay schildert "Er schlug dem Regenten (der ihm nichts abschlagen konnte) vor, eine Firma zu gründen, die das exklusive Privileg zum Handel auf dem großen Fluss Mississippi und zur Provinz Louisiana besitzen sollte." 1719 wurde Law's Firma, der "Compagnie DES Indes", zusätzlich das exklusive Privileg des Handels mit den Ostindischen Inseln, China und der Südseen bewilligt. John Law startete sein System noch im gleichen Jahr. Sein Schwindel verfügte über die drei typischen Bestandteile eines klassischen Ponzi-Systems: einen Investitions-Anreiz (Gewinnanteile am Handel mit exotischen Ländern), eine zugesicherte attraktive Rendite (eine jährliche 40-prozentige Rendite auf die Aktien der Mississippi-Gesellschaft) und ein anfängliches Einlösen der Verpflichtungen (er zahlte zu Beginn eine Jahresrendite von 120 Prozent). Sein System verfügte sogar über eine Eigenschaft, die nicht einmal Charles Ponzi's System besaß: eine starke Beteiligung der herrschenden Klasse. Es soll hier auch festgehalten werden, dass zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs den Besitzern der nun wertlosen Mississippi-Aktien 2,5 Prozent Zinsen gezahlt wurden, die durch die städtischen Einkommen der Stadt Paris gesichert wurden.
Das System der "South Sea Bubble" im England des Jahres 1720 war, so wie es Garber 1990 treffend beschreibt, ein Klon des Mississippi-Systems. Das Whig-Ministerium war entlassen worden, und die Staatsverschuldung lag bei unglaublichen 10 Millionen Sterling. 1720 bewilligte das Parlament der "South Sea Company" das Südsee-Handelsmonopol und erhielt als Gegenleistung attraktive Konditionen zur Refinanzierung der Staatsschulden. Die "South Sea Company" agierte dann wie Law's Unternehmen: es wurden mehrere aufeinanderfolgende Börsengänge durchgeführt, bei denen Aktien ausgegeben wurden mit dem Versprechen einer Teilhabe an zukünftigen Handelsgewinnen, die in den ersten Runden auch attraktive Renditen lieferten (100 Prozent Rendite von Februar bis April 1720) und die dann bröckelten. Das Parlament entschädigte die Investoren teilweise durch eine 7,1 Million Sterling hohe Abschreibung der Unternehmensschuld.
Diese Thematik wurde in kleineren Übergangs-Wirtschaftssystemen der neunziger Jahre erneut aktuell. Ponzi-Systeme wurden aus Rumänien (600 Systeme, das größte davon war Caritas, das 20 Prozent der Bevölkerung rekrutierte und Renditen von 800 Prozent innerhalb von 100 Tagen versprach), Bulgarien, der Slowakischen Republik sowie aus Serbien und der Tschechischen Republik gemeldet.
Disclaimer der World Bank Group:
"Dieser
Artikel wurde ursprünglich von der World Bank Group in englischer Sprache unter
dem Titel "On the Possibility of Ponzi Schemes in Transition
Economies" im Jahr 2001 erstellt. Die deutsche Übersetzung erfolgte durch
Karl-Heinz Kreiter. Bei möglichen Diskrepanzen gilt grundsätzlich der Originaltext."
"This work was originally prepared by the World Bank in English as 'On the Possibility of Ponzi Schemes in Transition
Economies' in 2001. This German translation was arranged by
Karl-Heinz Kreiter. In case of any discrepancies, the original language
will govern.
gespiegeltes Original (englisch) original mirrorfile (english)
Dokument erstellt: 01.09.2003
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