Originaltext
von Dr. Stephen Barrett M.D.
auf
www.mlmwatch.org
Übersetzung
von Dirk Weber
Der Präsident von National Safety Associates (NSA), Jay Martin, pflegt aus simplen Ideen Multimillionen-Geschäfte zu machen. Laut einer NSA-Broschüre aus dem Jahr 1997 hat seine Firma einen Umsatz von über 3 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet - mit "der Entwicklung und Markteinführung innovativer Produkte, die Vorreiter ganzer Industrien sind“: Feuermelder für Daheim in den Siebzigerjahren, Wasserfilter in den frühen und Luftfilter in den späten 80er Jahren. Aber ihr "bisher größter Erfolg“ ist eine "Produktfamilie auf Basis von natürlichen Lebensmitteln, bestimmt zur Unterstützung bei der Krankheitsvorbeugung.“ (1) Deren bedeutendstes Produkt „Juice Plus+“ erlebte 1993 seine Markteinführung und erreichte einen Umsatz von monatlich 6 Millionen Dollar am Ende des ersten Jahres. (2)
Das Juice Plus+ Erfolgsrezept ist sehr einfach: Obst und Gemüse sind gut für uns. Man fasse deren Vorzüge in eine leicht konsumierbare Form; dazu gebe man Lobhudelei, Erfahrungsberichte, eine Prise Angst, einen wissenschaftlichen Anstrich und einige Klümpchen Betrug; man nehme die ganze Macht des Multilevel Marketing (MLM), um die Botschaft zu verbreiten. All diese Zutaten gibt es schon seit Jahren, aber NSA hat daraus die perfekte Mischung gebraut.
Es ist allgemein anerkannt, dass das Ernährungsverhalten bestimmten Arten von Krebs vorbeugen und das Erkrankungsrisiko von kardiovaskulären Erkrankungen herabsetzen kann. Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebs wurde in den 80er Jahren in der Öffentlichkeit bekannt, als die NAS (National Academy of Sciences) berichtete, dass Menschen, die viel Vollkorngetreideprodukte, Obst und Gemüse essen, seltener an bestimmten Formen von Krebs erkranken. (3) Seitdem hat die Forschung gezeigt, dass eine Bevorzugung dieser Produkte auch Herz- und Schlaganfällen vorbeugen kann. Diese Erkenntnisse hat man veranschaulicht im System der Ernährungspyramide (1992), in der 6 – 11 Portionen Getreide, 2 – 4 Portionen Obst und 3 – 5 Portionen Gemüse täglich empfohlen werden, je nach individuellem Kalorienbedarf. (4)
Da man nicht angeben konnte, welche Ernährungsfaktoren, falls nicht überhaupt andere unerkannte eine Rolle spielen, nützlich sein könnten, wurde im Bericht von Nahrungsergänzungen mit bestimmten isolierten Nährstoffen abgeraten. Dennoch wurden nur wenige Monate nach Veröffentlichung des Berichts verschiedene Produkte mit dehydriertem Gemüse bzw. verschiedenen anderen Nahrungsbestandteilen mit der Behauptung vermarktet, aus dem Bericht lasse sich deren Nutzen für die Krebsvorbeugung ablesen. Die Regulierungsbehörden zogen zwar einige der frühen Produkte aus dem Verkehr, aber neue Studien (speziell zu Antioxidantien), neue Formen des Marketing und laxe Handhabung der Gesetze machten es möglich, dass umso mehr andere in diesen expandierenden Markt drängten.
Die Macht des MLM
MLM ist eine Form des Direktvertriebs, bei der unabhängige Händler (Distributoren) nicht nur an ihren eigenen Verkäufen verdienen, sondern auch an denen der durch sie angeworbenen Distributoren. Als Urheber dieser Methode gilt ein Kalifornischer Geschäftsmann, der in den 30er Jahren damit begann, seine Freunde auf Kommissionsbasis deren Freunde mit Nahrungsergänzungen beliefern zu lassen. Dieses Geschäft entwickelte sich 1939 zu den „Nutrilite-Produkten“ und etablierte sich landesweit ab 1945. Im Jahre 1959 gründeten zwei sehr erfolgreiche Distributoren eine neue Gesellschaft, die sich zu einem Multimilliarden schweren, internationalen Konzern entwickelte, heute bekannt als Amway. Shaklee Corporation, ein anderer MLM-Gigant, wurde 1956 von einem ehemaligen Chiropraktiker gegründet. Seitdem haben sich Hunderte anderer Firmen und Millionen von „unabhängigen Distributoren“ in den Kampf gestürzt.
Bis in die Mitte der 80er Jahre kamen Geschäfte mit MLM- Gesundheitsprodukten hauptsächlich durch persönlichen Kontakt zustande, bei welcher die persönliche (finanzielle oder gesundheitliche) Erfolgsstory des Verkäufers die wichtigste Rolle spielte. Seit dieser Zeit werden von den Firmen auch clever aufgemachte Videoaufnahmen oder Audiokassetten zur Verbreitung der Erfolgsgeschichten benutzt, ebenso Telefonkonferenzen zur Schulung größerer Gruppen von Verkäufern, für den Anschein einer fachlichen Autorität wurde eine wissenschaftliche Beratungsstelle gegründet, von den Konzernen unterstützte Forschung sollte Glaubwürdigkeit verbürgen und die Aussagen von Prominenten das Prestige erhöhen. Viele Firmen arbeiten mit Bedrohungsszenarien und berufen sich auf wissenschaftliche Studien, um zu suggerieren, dass ihre Produkte wirklich krankheitsvorbeugend sind. NSA arbeitet mit all diesen Mitteln sehr erfolgreich.
Erfahrungsberichte sind kein
verlässlicher Beweis
Der „Erfolg“ des Netzwerk-Marketings beruht auf dem Enthusiasmus der daran Beteiligten. Viele Menschen, die glauben, etwas habe ihrer Gesundheit genützt, haben Freude daran, dieses Wissen mit ihren Freunden zu teilen. Menschen, die ein solches Zeugnis abgeben, sind normalerweise von dem ernsthaften Wunsch geleitet, ihren Mitmenschen zu helfen. Wann immer Menschen dazu bereit sind, auf das Zeugnis anderer Menschen über deren persönliche Erfahrungen zu vertrauen, haben diese Aussagen eine sehr große Überzeugungskraft. Ein Handbuch für NSA-Distributoren bemerkt, dass „sobald Menschen das Produkt nutzen, beginnen sie ihre eigene Juice Plus+ -Story zu erfinden, um andere Menschen daran teilhaben zu lassen." Obwohl in der NSA-Literatur steht, dass “wir keinerlei Versprechungen machen... bezüglich der Vorbeugung, Heilung oder Linderung irgendeiner Krankheit,“ verbreiten NSA-Distributoren Aussagen, dass Juice Plus+ bei den unterschiedlichsten Beschwerden geholfen habe. Im Jahr 1994 erhielt ich sogar ein 69-seitiges Buch mit Bestätigungen und Erfolgsberichten, in dem es hieß:
Hier seien einige der wohltuenden
Wirkungen genannt, die Menschen bei der Einnahme von Juice Plus+
erlebt haben. Einige bemerkten diese Wirkungen bereits nach
einigen Tagen, andere nach Wochen oder Monaten. Diese Wirkungen
müssen nicht unbedingt alle bei Ihnen eintreten, aber Sie können
versuchen darauf zu achten:
allgemeines Wohlbefinden; man
fühlt sich munter, energiegeladen und in Ordnung; bessere Verdauung;
besserer Appetit und Schlaf, man kommt mit weniger Schlaf aus
und kommt leichter aus dem Bett; kein Hungergefühl zwischendurch
oder Heißhunger auf Süßes; Verlangen nach Obst, Gemüse und Salat;
Gewichtsabnahme; Gewichtszunahme (falls erwünscht); einige Zentimeter
weniger an Taille und Hüften; bessere Hautfarbe; die Nägel wachsen
kräftiger und schneller; das Haar wächst dichter und schneller;
besseres Aussehen; der Blick wird klarer; es fällt leichter
das Rauchen aufzugeben und mit Körpertraining zu beginnen; leichterer
Umgang mit Stress; bessere Erholung nach der Arbeit; Fähigkeit
härter zu arbeiten; athletischerer Körperbau; schnellere Heilung
von Verletzungen; seltener Allergien oder Entzündungen der Nasennebenhöhlen;
weniger Schmerzen bei Rheuma; seltener Kopfschmerzen; weniger
Schmerzen überhaupt; Blutdrucksenkung; besser eingestellter
Blutzuckerspiegel (5).
Erfahrungsberichte sollten selbstverständlich eigentlich nicht als schlüssiger Beweis gelten. Ohne angemessene und zuverlässige Testverfahren ist es für gewöhnlich unmöglich zu entscheiden, ob Veränderungen im Befinden nach Verabreichung eines Produkts genau darauf oder auf dem Placebo-Effekt beruhen beziehungsweise auf andere Faktoren zurückzuführen sind, wie ganz banal auf die Tatsache, dass Krankheitssymptome sich im Lauf der Zeit ändern oder ganz von selbst verschwinden. Ebenso wenig ist es möglich zu sagen, ob begeisterte, von finanziellen Interessen beeinflusste Verkäufer ganz exakt das berichten, was sie erlebt haben.
Die Unzuverlässigkeit von Erfahrungsberichten wurde auf eine sehr dramatische Weise verdeutlicht durch den Fall des früheren Footballstars O.J. Simpson, der angeklagt war, seine Frau und deren Freund Ronald Goldman erstochen zu haben. Im März 1994, kurz bevor die Morde geschahen, sagte er in einer Videoaufzeichnung vor 4000 Distributoren auf einer Verkaufsversammlung, dass Juice Plus+ seine Arthritis geheilt habe. Zeugen im Mordprozess gaben jedoch an, dass er zeitgleich Sulfasalazin eingenommen habe, ein Standardmedikament mit entzündungshemmender Wirkung, worauf der Rückgang der Symptome wohl eher zurückzuführen ist. (6)
Zu schlechter Letzt noch diese Pointe: Simpsons Strafverteidiger legten medizinische Gutachten vor, denen zufolge Simpson schon lange an derart schwerer Arthritis leidet, dass er die Morde unmöglich habe begehen können. (7)
Was ist in Juice Plus+?
In der NSA-Anleitung für neue Verkäufer, einer 94-seitigen Lose-Blatt-Sammlung vom Oktober 1997, wird behauptet, dass 17 verschiedene Früchte ausgepresst werden, um ihre essentiellen Nährstoffe zu extrahieren, und dann in einem patentierten Verfahren ohne starke Erhitzung zu Pulver verarbeitet werden. Während dieses Prozesses werden Zucker, Salz, die meisten Kalorien und Ballaststoffe entfernt. „Orchard blend“ (Obstgarten-Mischung) - Kapseln werden hergestellt aus Acerolabeeren, Äpfeln, Preiselbeeren, Orangen, Papaya, Pfirsichen und Ananas. „Garden blend“ (Garten-Mischung) - Kapseln enthalten Gerste, Rüben, Brokkoli, Kohl, Karotten, Grünkohl, Hafer, Petersilie, Spinat und Tomaten. Von beiden Produkten wird ebenso behauptet, dass sie lösliche und nichtlösliche Ballaststoffe enthalten sowie phytochemische „Nahrungsaktivstoffe“, Vitamine, Mineralien und Enzyme. Weitere Ballaststoffe und Enzyme werden hinzugegeben und das Produkt wird in Kapselform gebracht von einer Gesellschaft namens „Natural Alternatives International“. (8)
Weder das Produktetikett noch die Hinweise auf dem Waschzettel weisen die Menge dieser Bestandteile in Juice Plus+ - Kapseln aus. Die Handbücher empfehlen Orchard und Garden Blend zu verschiedenen Zeiten einzunehmen, weil "Obst anders verdaut wird als Gemüse und Ihr Verdauungssystem beide effizienter verarbeiten kann, wenn sie getrennt voneinander eingenommen werden.“ Nichtsdestotrotz sind beide Gruppen in „Juice Plus+ - Better Bars“ (etwa: J.P.- Richtiger Riegel – Anm. des Übers.) traulich vereint als „echte Früchte, Hafer, Kleie und eine Menge anderer Naturstoffe.“ NSA vermarktet auch einen Drink als Ersatz für eine ganze Mahlzeit, Juice Plus+ - Lite, jede Portion liefert 110 Kilokalorien, 4 Gramm Ballaststoffe und nachweisbare Mengen von 12 Vitaminen und einigen Mineralstoffen.
Einzelne Behauptungen auf
dem Prüfstand
Auf den Seiten 41 und 42 im Handbuch wird suggeriert, dass jede Nahrungsquelle einen speziellen Vorteil für die Gesundheit bietet. Von Äpfeln wird beispielsweise behauptet, dass „sie Bor, ein Spurenelement, enthalten, welches die elektrische Aktivität im Gehirn beeinflusst und die mentale Aufmerksamkeit erhöht.“ Orangen, so heißt es, „enthalten jede bekannte Art Krebs vorbeugender Stoffe.“ Acerola-Kirschen seien „eine Quelle von Vitamin C, welches die Symptome der Osteoarthritis mildert.“ Karotten sollen den Cholesterinwert senken, Petersilie soll „gut für das Herz und das Immunsystem sein“, Grünkohl wird zum „mächtigen Krebsbezwinger“ ernannt und von Kohl „nimmt man an, dass er den Brustkrebs aufhält.“ Selbst wenn diese Behauptungen zuträfen, wäre das noch lange kein Grund daraus zu folgern, dass Juice Plus+ - Kapseln die gleiche Wirkung hätten.
Auf Seite 43 liest man: „Die Nahrungsenzyme in Juice Plus+ werden Ihre Verdauung erleichtern und die Nahrung besser für Ihren Körper verwertbar machen. Dies entlastet auch die körpereigenen Enzyme, so dass sie andere wichtige Aufgaben wie die Bekämpfung von Krankheiten übernehmen können.“ Diese Behauptung ist falsch, weil 1.) die meisten Menschen genug Enzyme in ihrem Darm für die Verdauungstätigkeit haben und 2.) die weitaus meisten Enzyme in Nahrungsmitteln durch die Verdauung zerstört werden und 3.) die Produktion körpereigener Verdauungsenzyme nicht von deren Menge im Verdauungstrakt abhängt.
Der Enzym-Blödsinn basiert auf den Ideen von Humbart „Smokey“ Santillo, dem Autor von „Food Enzymes: The Missing Link to Radiant Health“ (9) (Nahrungsenzyme – Das fehlende Glied zur strahlendsten Gesundheit), dem NSA das Juice Plus+ - Konzept verdankt. Santillos Referenzen umfassen einen Bachelor-of-Science-Grad (niedrigster akademischer Grad) vom Staatlichen Lehrercollege in Edinboro, einen Doktortitel in Naturheilverfahren einer allerdings nicht anerkannten Fernschule (Anglo-American Institute of Drugless Therapy = medikamentenfreie Therapie), eine „Ehrenurkunde“ in Irisdiagnostik, ein „Pflanzenkenner-Meisterzertifikat“ von der „ Herbalist John Christopher´s School for Natural Healing“ und ein achtjähriges Studium am „Concept Therapy Institute“, an dem eine biologisch-chiropraktische Technik gelehrt wird. Auf einer der Audiokassetten von NSA behauptet Santillo, dass sämtliches Obst und Gemüse getrennt verzehrt werden müsse, und man gehe deshalb nur mit Juice Plus+ auf Nummer sicher. Er verkündet auch, dass man mit Juice Plus+ alle Gewichtsprobleme lösen könne, weil "es so einen hohen Nährwert hat und so leicht zu verdauen ist. Sobald man diese Nahrung aufnimmt, hat man keinen Hunger mehr und nimmt automatisch ab.“ (10)
Santillos Grundkonzept von Gesundheit, Krankheit und Behandlung ist ein Wirrwarr aus Naturheilverfahren und Traditioneller Chinesischer Medizin. In seinem Buch wird das Dogma der Naturheilkunde ausgewalzt, dass die meisten Krankheiten „in Wirklichkeit das Ergebnis eines überforderten Ausscheidungssystems“ seien und dass man durch „Anwendung einer reinigenden Diät und kurzen Zeiten des Fastens, Reinigung des Dickdarms durch den Gebrauch von Einläufen, Unterstützung von Ausscheidungsprozessen, Reinigung des Blutes durch die richtige Anwendung von Kräutern und durch andere Methoden“ die Krankheit schnell heilen könne, nämlich durch „Beseitigung des ihr zugrundeliegenden toxischen Zustands.“ (11:3) Aber er teilt uns auch mit, dass „man Krankheiten klassifizieren kann entweder als heiß oder kalt, yin oder yang, Übermaß oder Mangel, innerlich oder äußerlich.“ (11:5)
Professor Varro E. Tyler, ein weltbekannter Spezialist auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde fasst zusammen, dass das Buch von Fehlern überquillt und ein „nahezu perfektes Beispiel“ gängiger irrationaler Fehleinschätzungen zu Pflanzen ist. (12)
Die Aetna U.S. Health-Care
- „Empfehlung“
Im Jahre 1998 begann das Aetna U.S. Health Care ein „Natural Alternative Program“ auszuschreiben, dessen Teilnehmer Rabatte von 20% oder mehr auf verschiedene Produkte oder Dienstleistungen erhalten können. Einige Juice Plus-Distributoren behaupteten mir gegenüber, dass Aetna Health Care Juice Plus+ durch Aufnahme in sein Programm empfiehlt. Jedoch ergibt sich aus dem Wortlaut der Seite, auf der das Programm beschrieben wird, ein ganz anderer Sinn:
„Natural Alternatives“ ist ein zeitlich begrenztes Versuchsprogramm für Rabatte... Die daran teilnehmenden Anbieter und Verkäufer von Naturprodukten sind ausschließlich selbst für die Produkte und Dienstleistungen verantwortlich, welche sie anbieten. Die Anbieter und Verkäufer dieser Produkte sind von Aetna U.S. Healthcare weder zertifiziert noch auf irgendeine Weise untersucht worden. Durch die Ermöglichung dieser Rabattaktion bestätigt Aetna U.S. Healthcare NICHT die Güte der genannten Anbieter und Verkäufer und gibt KEINERLEI Garantie über Nutzen bzw. Qualität der Anbieter in diesem Programm. Aetna U.S. Healthcare gibt weder ausdrücklich noch implizit eine Garantieerklärung ab bezüglich der Beschreibung, Qualität, Marktfähigkeit, Tauglichkeit oder anderer behaupteter Eigenschaften für irgendeines der im Rahmen von "Natural Alternatives discount“ angebotenen Produkte oder Dienstleistungen ab. (14)
Der wissenschaftliche Deckmantel
Juice Plus+ - Werber berufen sich auch auf die Wissenschaft. Die wirkungsvollsten Verkaufshilfen für NSA sind die Tonbandaufnahmen von Dr. med. Richard Dubois, eines anerkannten Internisten, der als "einer der weltweit führenden Spezialisten für Infektionskrankheiten" beschrieben wird. Unter Berufung auf wissenschaftliche Studien bemerkt DuBois richtig, dass:
Um dieses Argument weiter zu untermauern, beschrieb DuBois zutreffend, wie klinische Versuche ergaben, dass die Verabreichung einzelner Nahrungsbestandteile manchmal mehr Vor- als Nachteile mit sich bringe. Aber dann bezeichnet er als erwiesene Tatsache, dass Juice Plus+ - Nährstoffe verlässlicher wirksam sind, da die pflanzlichen Nahrungsbestandteile darin „ausgewogen dosiert“ seien. Angesichts dieser Erkenntnisse schlussfolgert er, dass jeder Mensch Juice Plus+ nehmen sollte.
Die hier angestellte Beweisführung ist nicht schlüssig. Nahezu alle Befunde bezüglich eines Zusammenhangs der Ernährungsgewohnheiten mit der Häufigkeit bestimmter Krankheiten basieren auf epidemiologischen Daten. Epidemiologische Daten geben weder Hinweise auf Ursachen noch auf Wirkungen. Und selbst wenn ursächliche Beziehungen vorhanden wären, würde das nicht beweisen, dass Nahrungsergänzungen eine einseitige Ernährung ausgleichen könnten oder dass die Einnahme von Juice Plus+ eine optimale Nahrungsergänzung wäre (tatsächlich ist es alles andere als optimal wegen des viel zu geringen Anteils an Vitamin B12 und den meisten Mineralien, die in hochwertigen Multivitamin- oder Multimineralpräparaten enthalten sind). Außerdem gibt es keine logische Erklärung für die Annahme, dass Juice Plus+ alleine deswegen „ausgewogener“ sein soll, weil es aus Früchten extrahiert ist. Nur sorgfältig konzipierte klinische Langzeitstudien könnten darüber Aufschluss geben, ob die Einnahme von Juice Plus+ oder anderer Pillen bzw. Säfte tatsächlich Krankheiten vorbeugen kann.
Aber das ist längst nicht alles. Viele der schützenden Effekte von Obst und Gemüse beruhen auf dem Anteil an Ballaststoffen in ihnen. Aus Juice Plus+ - Kapseln sind fast alle diese Bestandteile entfernt worden. Darüber hinaus führt der Verzehr der empfohlenen Mengen an Getreide, Obst und Gemüse keineswegs zu einem Anstieg der Konzentrationen an chemischen Pflanzenstoffen. Normalerweise ist das eher ein Indiz für einen niedrigen oder mäßigen Fettanteil bei der Ernährung. Niemand weiß, ob die Kombination eines Produktes wie Juice Plus+ mit einer fettreichen oder ballaststoffarmen Diät allzu viel bringen würde. Der springende Punkt ist, dass es schlicht und einfach am Vernünftigsten ist, bei einer Ernährung mit zu wenig Getreideprodukten, Obst oder Gemüse die Ernährungsgewohnheiten zu ändern.
Bezeichnenderweise hatten im Jahre 1986 zwei Verfasser der NSA- Pflanzennährstoff- Studie Beziehungen zu United Sciences of America („USA“), einer Multilevel-Firma, die Nahrungsergänzungen mit dem illegalen Versprechen verkaufte, diese könnten vielen Krankheiten vorbeugen. (Anm. des Übersetzers: Das Kürzel „USA“ ist in den USA kein gesetzlich geschützter Markenname!) Der Hauptverfasser, Dr. John A. Wise, war „USA-Vizepräsident für Wissenschaft und Datenerhebung“, der Mitautor Dr. med. Robert J. Morin war wissenschaftlicher Berater, der das Produktkonzept entwarf. Maßnahmen der Aufsichtsbehörden auf Bundes- und Landesebene führten zur Schließung der Firma im Jahr 1987. (16) Das Hauptprodukt der „USA“ war „Master Formula“, das große Mengen an Beta-Carotin und Vitamin E enthielt (17). Heute ist Wise der Vizepräsident des Bereichs „Wissenschaft und Technologie“ und Anteilseigner bei „Natural Alternatives International“ in San Marcos, Kalifornien, die Juice Plus+ - Produkte herstellt. NSA hatte einen Anteil von mindestens 16% am Umsatz von NAI in der ersten Jahreshälfte 1999. (18)
Noch bezeichnender ist, dass DuBois höchst selbst Zweifel an seiner Behauptung weckte, dass Juice Plus+ zu einer „ausgewogenen Versorgung mit Nährstoffen“ führe. In dem NSA-Video „Homocystein, oxidativer Stress, Pathogenese und Prävention von Krankheiten“ behauptet er, dass ein Überschuss an Carotinoiden in der Haut gespeichert werde und er durch die Pillen einen orangenfarbenen Teint bekommen habe. Die Gabe von Beta-Carotin wurde in zwei großen klinischen Studien mit einem Anstieg der Krebshäufigkeit in Verbindung gebracht (19,20) und löste im Tierversuch bei Frettchen, die Zigarettenrauch ausgesetzt waren, Vorstadien von Krebs aus. (21) Der angesehene „Medical Letter on Drugs and Therapeutics“ – eine Zeitung für Ärzte über neueste Forschungsergebnisse – zog daraus den Schluss, dass „niemand Nahrungsergänzungen mit Beta-Carotin einnehmen sollte.“ (22) Aber anstatt das Risiko zur Kenntnis zu nehmen, behauptet DuBois steif und fest, dass „wenn Sie einen orangenfarbenen Teint bekommen, Sie Ihren oxidativen Stress (eine angebliche Wirkung der Aktivität schädlicher Freier Radikaler) neutralisiert und damit die Wahrscheinlichkeit herabgesetzt haben, bestimmte Krankheiten zu bekommen.“ Er geht sogar mit der Aussage eines Patienten hausieren: „Ich will so aussehen wie Sie. Ich will diesen Karottenglanz.“ (23) Wie um alles in der Welt will er denn wissen, ob eine jahrelang bestehende orangenfarbene Hauttönung eher gut oder eher schlecht ist?
Die NSA Verkaufshilfe-Infos gestehen ein, dass die Einnahme von Juice Plus+ nicht so gut ist wie der Verzehr der empfohlenen Mengen an Getreide, Obst und Gemüse. Aber dennoch fordern Sie, dass jedermann Juice Plus+ nehmen sollte. Die „Bevorzugten Kunden“ von NSA, die eine Viermonatspackung von Juice Plus+ -Kapseln kaufen, bezahlen etwa 500 US-Dollar im Jahr. Wenn das jeder Amerikaner tun würde, würden die jährlichen Aufwendungen dafür 100 Milliarden US-Dollar übersteigen.
Denken Sie, das wäre eine vernünftige Verwendung unseres Nationaleinkommens?
Ich möchte das bezweifeln.
|
|
1. |
NSA profile. Brochure, March 1997 |
2. |
Company of the month: National Safety
Associates, Inc. Money Makers Monthly, Aug 1994. |
3. |
NAS Committee on Diet, Nutrition, and Cancer. Washington, DC: National Academy Press, 1982. |
4. |
USDA Human Nutrition Service: The Good Food Pyramid: House and Garden Bulletin, No. 252. Washington, DC., 1992, US Departments of Agriculture and Health and Human Services. |
5. |
Juice Plus+: Letters, Testimonials and Articles. Undated booklet, distributed in 1994. |
6. |
Transcript, cross-examination of Dr. Robert Huizenda, July 18, 1995. |
7. |
Switzer, J.: Unofficial summary of the Russ Limbaugh Show for Wednesday, July 19. 1995. |
8. |
NSAs Guide für New Distributors. Memphis, TN: National Safety Associates, Qct 1997. |
9. |
Santillo, H.: The Missing Link to Radiant Health AZ: Holm Press, 1987 |
10. |
Santillo, H.: NSA Audiotape |
11. |
Santillo, H.: Natural Healing with Herbs. Prescott AZ. Holm Press, 1990 |
12. |
Tyler, VE: Book review: Natural Healing with Herbs. Nutrition Forum 8(4): 32, 1991 |
13. |
Aetna U.S. Healthcare annonunces Natural Alternatives Program, Press release, 12/31/98 |
14. |
Natural Alternatives Provider Listing, Accessed April 21, 2000 |
15. |
Wise, JA Morin RJ and others: Changes in plasma carotinoid, alpha-tocopherol, and lipid peroxide levels in responce to supplementation with concentrated fruit and vegetable extracts: A pilot study. Current Therapeutic Research 57: 445-461, 1996. |
16. |
Barrett S.: Aufstieg und Fall von United Sciences of America. MLM-Beobachter, Sept 19. 1999 |
17. |
Barrett S.: Health or Hype? A Report on United Sciences of America. New York: American Council on Science and Health, 1987 |
18. |
Natural Alternatives international. Annual 10-K report to the Securities and Exchange Commission. Filed Sept 28, 1999, Page 41 of the report indicates that three companies (NSA NuSkin International and Pharmavite were responsible for l6%, 23%, and 32% of NAI´s sales during the reported period. However, the report does not indicate which company was responsible für which number. |
19. |
Rapola JM and others. Randomised trial of alpha-tocopherol and beta-carotene supplements on incidence of major coronary events in men with previous myocardial infraction. Lancet 349: 1715-1720, 1997 |
20. |
Omenn GS and others: Effects of a combination of beta carotene and vitamin A on lung cancer and cardiovascular disease. New England Journal of Medicine 334: 1150- 1155, 1996 |
21. |
Why megadoses of beta carotene may promote lung cancer. USDA Agricultural Research Service Food & Nutrition Research Briefs, Jan 1999, p. 1. |
22. |
Vitamin supplements. The Medical Letter on Drugs and Therapeutics 40: 75-77, 1999 |
23. |
DuBois, R.: Homocysteine, Oxidative Stress, Pathogenesis and Prevention of Disease NSA Videotape, 1998. |
|
Dieser Artikel
wurde am 22. April 2000 überarbeitet.